1. Bd. 1
- S. 825
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Balern.
825
£ Stunde oberhalb Ulm ergießt sichdie ansehnliche Iller in die hier
schiffbar werdende Donau. Die Stadt ist von altmodischer Bau-
art und von 14,000 Menschen bewohnt. Das merkwürdigste Ge-
bäude derselben ist der Münster, die Hauptkirche Ulms, ein ehr-
würdiges Gothisches Gebäude, die größte und höchste Kirche in
Deutschland, langer und breiter als' der Straßburger Münster und
die Stephanskirche zu Wien, und beide an Höhe um das Doppel-
te übertreffend, 416 F. lang, 166 breit und 141 8- hoch, mit
6 Eingängen, prächtigen Fenstermalereien, einer Orgel von 45 Re-
gistern und 2952 zinnernen Pfeifen und einem Thurme, der ein
schönes Portal von prächtiger Gothischer Bauart hat und bis zum
Kranze oder Umgänge 257 F., mit dem obern Aufsatze und Dache
aber 557 F. hoch ist. Kaiser Maximilian l. bestieg 1492 diesen
Thurm, stellte sich mit halbem Fuße auf die äußerste Spitze des
Kranzes und schlug mit dem andern Fuße ein Rad in der Luft.
Der Grund zur Kirche wurde 1577 gelegt und der Bau 1494 be-
endigt. Im Innern der Kirche bewundert man ein sehr schönes
Sakramenthäuslein, die kunstreiche Kanzel und auf dem Altare,
am Eingänge des Ehors, eine trefflich gemalte Tafel, die heilige
Familie vorstellend.
Das Königreich Baiern.
Ob die Böser, ein Celtifcher Volksstamm, der hehrere
hundert Jahre vor Christi Geburt aus Gallien über den "Rhein
ging, sich in dem heutigen Böhmen niederließ, und zur Zeit des
Römischen Kaisers Augustas, wenige Jahre vor Ehr. Geburt von
Marbod, König der Markomanen aus Böhmen vertrieben, seinen
Wohnsitz in dem heutigen Baiern nahm, die ältesten Stammväter
der Baiern sind, ist nicht zu entscheiden. Gewiß aber ist, daß die
Römer unter Augustus das Land, welches damals Vindelicien und
Rhätien hieß, mit ihrem Reiche vereinigten. Nach dem Verfalle des
Römischen Reichs bekamen die Ostgothen die Herrschaft über dieses
Land; doch ging das Reich derselben, das sich auch über einen
großen Theil Italiens erstreckte, schon in der Mitte des 6. Jahr-
hunderts zu Grunde. Zu Anfange deffelben Jahrhunderts kom-
men bei den Geschichtschreibern zuerst die Bojoarier als Be-
' wohner, dieser Gegend vor, von welchen wahrscheinlich sie den Na-
men Bojoaria erhielt, woraus später verstümmelt Bavaria;
und Baiern ward. Diese Bojoarier oder Baiern hatten ihre eige-
nen Fürsten oder Herzoge, die allemal aus dem Geschlechte den
Agi lolfing er, den Nachkommen eines tapfern Kriegers (Agi-
lolf) gewählt wurden. Der erste historisch gewisse Herzog dieses
Geschlechts ist Geribald, der ums I. 592 oder 595 starb. Ihm
folgten noch 15 Herzoge aus dem Geschlechte der Agilolsinger in
der Herrschaft über Baiern, zu welchem Hcrzogthum damals auch