1. Bd. 1
- S. 890
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
890
Preußischer Staat.
auch im Dudelsak. Hirten blasen den Roschk, ein Hörnchen von Zie-
gen- oder Bockshorn. Der Wendische Tanz gleicht ziemlich dem Pol-
nischen.
Auch die Kassuben sind ein Überrest der alten Wenden, und
bewohnen den nordöstlichen Winkel Hinterpommerns, von Stolpe bis
an die Westpreußische Gränze und von dieser nördlich bis an die Ost-
see. Vis zum Jahre 1810 waren sie leibeigen. Ihre Sprache ist
ein Wendischer Dialekt, durch die Nothwendigkeit mit Deutschen und
Polnischen Wörtern vermischt; doch sucht die Regierung, die Kassubi-
sche Sprache nach und nach zu verdrängen. Gepredigt wird in Deut-
scher und Kasiubischer Sprache. Die meisten Kassuben verstehen und
sprechen auch schon Deutsch, welches platt und mit einem Zusatz Wen-
discher Wörter vermischt ist. Ein Beispiel hiervon ist: Schlört en bet-
ten int Doritz un laht us en Muhlken vull kulzen, d. h. geht ein
bischen in die Stube und laßt uns ein Maul voll kosen. Ihre Klei-
dung ist Überrest Wendischer Tracht, und ihre Lebensart ähnelt der
Polnischen. Die rühmlichen Eigenschaften des Wenden, Gastfreiheit,
Treue, Ordnungsliebe, Fleiß und Reinlichkeit findet man bei den Kas-
suben nicht.
Die Provinz Brandenburg.
Über das Geschichtliche derselben sehe man die allgemeine Geschichte
des Preußischen Staates nach.
In dieser Provinz und zwar in dem Regierungsbezirke Potsdam
liegt Berlin, die Hauptstadt der Monarchie und die Residenz des
Königs, nach Wien die bevölkertste und größte Stadt Deutschlands.
Sie entbehrt den Vortheil einer schönen Natur und einer durch Ab-
wechslung reizenden Umgebung, wodurch sich die meisten Hauptstädte
Europas auszeichnen, und liegt in einer flachen Gegend, mit einem
größtentheils aus trocknem Sand bestehenden Boden; doch erheben sich
auf der Nord- und Südseite einige Anhöhen, die eine gefällige Aus-
sicht über die Stadt und ihre Umgebungen gewähren, und Fleiß und
Betriebsamkeit haben den dürren Sandboden vortrefflich angebaut und
ihm ein freundliches Lächeln abgewonnen. Die Spree, ein schiffbarer
Fluß von mittelmäßiger Größe, durchschneidet die Stadt in mehreren
Armen und nimmt innerhalb derselben das Flüßchen Pankow oder
Panke auf. Hat auch die Natur für Berlin wenig gethan, so ver-
dankt es desto mehr der Kunst, so daß es unstreitig die schönste Stadt
Deutschlands und eine der schönsten in Europa ist; besonders gilt dies
von der Friedrichs- und der Dorotheenstadt, welche lauter breite, ge-
rade, einander in rechten Winkeln durchschneidende Straßen, mit den
ansehnlichsten und geschmackvollsten Gebäuden besetzt, und die vorzüg-
lichsten Plätze darbieten; in den übrigen Theilen sind die Straßen im
Allgemeinen minder breit und lang, auch hin und wieder winkelig, wo-
durch sie ein mehr düsteres Ansehn bekommen. Außer den schon ge-