1. Bd. 1
- S. 903
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
903
Preußischer Staat.
Auch jeder Fremde der Berlin besucht, versäumt schwerlich,^ diese Stadt
mit ihren Merkwürdigkeiten, Garten und königlichen Pallästen zu be-
sehen. Potsdam liegt in der angenehmsten Gegend der ganzen Pro-
vinz Brandenburg, am rechten Ufer der ansehnlichen Havel, mit welcher
sich auf dem linken Ufer die Ruthe vereinigt, auf einer Insel, dev
Potsdamer Werder genannt, welche durch die Havel, einen Kanal
und verschiedene Seen gebildet wird, und mit ihrem ganz vorzügliche
Obstarten, Wein und Gartengewächse in Menge hervorbringendem treff-
lich angebauten Boden, einer Oase in den sie ringsumgebenden Sand-
flachen gleicht. Von Berlin ist diese Stadt 4 M. entfernt, hat zwar
nur 1600 H. und ohne das beträchtliche Militär 24,000 (mit dem-
selben aber 33,000) E., kann also bloß zu den Städten mittlerer
Größe gerechnet werden, gehört aber zu den schönsten und merkwürdig-
sten Städten in Europa, und ist sehr regelmäßig und symmetrisch ge-
baut, mit breiten Straßen, herrlichen Plätzen und schönen, massiven
Häusern von 2 bis 4 Geschossen, und vielen Palläften. Das meiste
haben für Potsdam gethan die Könige Friedrich Wilhelm I. und Frie-
drich Ii. Als ersterer die Regierung antrat, hatte es nur 3000 und
als er 1740 starb, 12,000 E. Friedrich Ii. erweiterte zwar die Stadt
nicht viel, verschönerte sie aber durchgängig während der ganzen Dauer
seiner 46jährigen Regierung, nur während des 7jährigen Krieges wur-
den die Bauten unterbrochen. Man berechnet die Geldsummen, welche
zu den Bauten in und um Potsdam während der Regierung desselben
verwendet wurden, auf 10 bis 11 Millionen Rthlr., die Kunstwerke
und Verzierungen in den königlichen Pallästen ungerechnet.
Potsdam besteht aus der Alt- und Neustadt, die durch einen Ka-
nal mit 7 Brücken getrennt werden, und b Vorstädten. Die auf
dem linken Havelufer gelegene Teltower Vorstadt ist mit der übrigen
Stadt durch die Teltower Brücke verbunden, welche eine Länge von
600 F., eine Breite von 30 F., und 8 eiserne, zusammen 23,000
Etc. schwere Bogen hat, ein Meisterwerk der neuern Baukunst und eine
Zierde für Potsdam ist, und mit dem einen Ende sie an einen lan-
gen, mit Pappeln besetzten und in die Teltower Vorstadt führenden
Damm, mit dem andern an das königliche Lustschloß und den Lust-
garten stößt. Eine vorzüglich schöne Ansicht gewahrt der Eintritt in
die Stadt durch das Brandenburger Thor, welches nach dem Modelle
des Trajanischen Triumphbogens zu Rom erbaut ist, mit 8 frei stehen-
den Korinthischen Säulen und vieler Vildhauerarbeit. Von hier sieht
man sogleich das am Ende der Straße in dem großen Bassin stehende
Lusthaus in welchem König Friedrich Wilhelm I., bei seinem Som-
meraufenthalte in Potsdam seine Abendgesellschaften und Tabakskolle-
gien hielt. Dieses Bassin ist in der Mitte eines großen mit Bäumen
und Buschwerk bepflanzten Platzes, welcher daher der Platz am Bassin
heißt. Von diesem führt eine Straße auf den Wilhelms platz, ein
längliches Viereck, auf 3 Seiten von den schönsten Häusern umgeben
und auf der 4ten von dem Kanals begränzt.