1. Bd. 1
- S. 957
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
957
Preußischer Staat.
sogenannten großen und kleinen Heiligthümer oder Reli-
quien. Die ersteren, welche den Gläubigen alle 7 Jahre von diesem
Thurme und der ihn umgebenden Gallerie vom 10—24. Julius (au-
ßer dieser Zeit nur hohen Personen) gezeigt werden, sind: ein weißes
baumwollenes Kleid der Mutter Gottes, die Windeln, worin Jesus
gewickelt gewesen, das Leintuch, auf welchem Johannes der Täufer ent-
hauptet wurde, und das Leintuch, welches Jesus am Kreuze um seine
Lenden hatte. Die zahlreichen kleinen Reliquien werden wahrend jener
Zeit (der Heiligthumsfahrt, zu welcher sich sehr viele Menschen
einsinden), allemal Nachmittags, außerdem aber jährlich nur am Frohn-
leichnamstage, Reisenden aber jederzeit gezeigt. Die ehedem bei der
Krönung eines Deutschen Kaisers erforderlichen und in der Kirche auf-
bewahrten Gegenstände, nämlich das Evangelienbuch Karls des Großen,
sein Schwert und ein Kästchen mit Erde, worauf das Blut des heili-
gen Stephanus geflossen, besinden sich seit dem Französischen Revolu-
tionskriege zu Wien.
An der Stelle des von Karl dem Großen erbauten Pallastes
steht das im I. 1353 erbaute Rathhaus, ein im Gothischen Style
von großen Quadersteinen aufgeführtes Gebäude, das sowohl seines
Alters, als der kühnen und regelmäßigen Ausführung wegen Aufmerk-
samkeit verdient. Die dem Markte zugekehrte Fronte, ehemals mit
den Bildsäulen der in Aachen gekrönten Kaiser geziert, nimmt sich
majestätisch aus. An den Seiten erheben sich zwei mit sehr hohen,
vielförmig gebogenen Dächern und mit Gallerien versehene Thürme,
wovon der sogenannte Granusthurm Römischen Ursprungs seyn
soll. Das Rathhaus hat 3 Stockwerke; in einem seiner Säle wurde
1748 der Friedenskongreß gehalten. In einem andern Saale stellt
ein Gemälde die Sitzung des Kongresses von 1748 dar; auch besin-
sinden sich hier die Portraits einiger Gesandten bei diesem Kongresse. —
Ein schönes Gebäude der neuesten Zeit ist das des neuen Mineral-
Trinkbrunnens, Elisabeth-Trinkbrunnen genannt. Die Faeade
hat eine Länge von 266 F. In der Mitte erhebt sich ein Rundbau,
an welchen sich zu beiden Seiten Säulengänge anschließen, die eine
ununterbrochene bedeckte Promenade von 180 F. Länge darbieten, und
mit den das Ganze schließenden Flügelgebäuden in Verbindung stehen.-
Das ganze Gebäude ist reich geschmückt und mit Zink bedeckt.
Aachen ist auch wegen seiner warmen schwefelhaltigen Mineral-
quellen berühmt, die von vielen Fremden besucht und benutzt werden.
Es giebt derselben 8, die man in die obern und untern eintheilt, wor-
unter die Kaisersquelle die schwefelreichfte und wichtigste ist. Der
Dunst dieser Quelle bildet, wenn er eine Zeitlang eingeschlossen wird,
eine ansehnliche Menge des reinsten Schwefels, den man Badschwefel
nennt. ^ Alles Mauerwerk um die Quelle und die andern ihr nahen
Gegenstände sind an allen Stellen, wohin der Dampf des Wassers
dringen und sich sammeln kann, dick mit Schwefel überzogen. Unter