1. Bd. 3
- S. 57
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Nordpolarlände v-.
D/
den Knien erheben und entweder aus Nennthierhäuten oder aus See-
hunds- oder Wallroßfellen bereitet sind. Die Kleidung der Weiber ist
fast diefelbe wie die der Männer, Einiges in der Form ausgenommen.
Der Hauptunterschied ihrer Kleidung findet sich in den Stiefeln, die
von solchem Umfange sind, daß jedes Bein die Dicke des ganzen Kör-
pers zu haben scheint und ihnen bloß einen watschelnden Gang gestat-
tet. Diese Stiefel bilden übrigens höchst geräumige Behälter für
alles, was, sey es auf gesetzlichem oder ungesetzlichem Wege, in den
Besitz der Eigenthümerin gelangt. Parry glaubt, daß der große
Umfang dieses Fußwerks daher rührt, weil es ursprünglich zu einer
Art Tragekorb für die kleinen Kinder, wie dies noch jetzt bei einigen
Stammen gewöhnlich ist, bestimmt gewesen, und, obgleich die Kinder
bei den Eskimos jetzt allgemein in dem Kopfüberwurf getragen werden,
dennoch diese alte Form beibehalten worden sey. Die Eskimos werfen
ihre Kleidungsstücke nicht etwa auf eine kunstlose und nachlaßige Weise
und bloß als einen Schutz gegen die grimmige Kalte um ihren Körper,
sondern legen vielmehr dabei eine Leidenschaft für Putz und Schmuck
an den Tag. Ihre Kleider sind nett und mit unglaublicher Feinheit
zusammengenähet, was um so mehr überraschen muß, wenn man die
Unvollkommenheit ihres Geraths betrachtet; denn ihre Nadeln sind
aus Knochen verfertigt und die Sehnen des Rennthiers, die sie in
Faden auseinander theilen, liefern ihnen einen sehr festen Zwirn. In
der Art und Weise, wie diese armen Wilden Pelzstreifen von verschie-
denen Farben znfammenzunähen und daraus eine eben so nette als
warme Kleidung zu verfertigen wissen, herrscht viel Geschmack; auch
zieren sie ihre Kleidung längs des Saums mit Franzen aus Thier-
sehnen und mit Schnüren oder Gürteln aus kleinen Knochen oder
Zahnen von Füchsen, Wölfen und Moschusochfen. Franklin sah auf
seiner Nordpolarreise, bei den Frauen der um die Mündung des Ma-
ckenzie sich aufhaltenden Eskimos das schwarze Haar derselben sehr
geschmackvoll von hinten herauf bis auf den Scheitel gedreht und mit
Schnuren von weißen oder blauen Glasperlen oder mit Leder aufge-
bunden. Vorn war es gescheitelt, so daß zu beiden Seiten ein dicker
Zopf herabfiel, an welchen Glasperlenschnuren befestigt waren, die bis
auf die Taille herabhingen. Auch sah Franklin, daß die dasigen Es-
kimos sämmtlich in der Nasenscheidewand Knochen oder Muscheln tru-
gen und daß durch die Unterlippe auf beiden Seiten Löcher gebohrt
waren, in welchen runde Stücken Elfenbein mit einer großen Glasperle
in der Mitte steckten, welchen Gebrauch auch Beechey bei den Eski-
mos der Russischen Nordwestküste Amerikas fand. Auf diese Zierathen
legten sie einen so hohen Werth, daß sie dieselben nicht verkaufen
wollten. Diejenigen, welche nicht reich genug waren, um sich Glas-
perlen oder Elfenbein anzuschaffen, hatten statt dessen Steine und
Stückchen Knochen. Dieses Durchstechen der Lippen wird vorgenom-
men, sobald das Alter der Mannbarkeit eintritt, östlich vom Macken-