1. Bd. 3
- S. 61
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Ncordpolarländ er.
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Wallrosses einlauft, ertönt im ganzen Dorfe ein lautes Freudengefchrek,
da sämmtliche Bewohner desselben Antheil an der Beute haben. Auf
der Stelle werden von dem Thiere Stücke ausgeschnitten, jede Lampe
mit Thran versorgt und in jeder Wohnung lodern Flammen; alle Töpfe
sind mit Fleisch gefüllt und die Weiber fischen die delikatesten Bissen
heraus und verschlingen sie. Sobald das Festmahl bereitet ist, langt
ein Mann ein großes Stück hervor, erfaßt mit seinen Zähnen so viel
als der Mund zu bergen vermag, reicht dann den Überrest einem Nach-
bar, dieser einem andern und sofort, bis das Ganze verzehrt ist.
Hierauf kommt ein neues Stück zum Vorschein, mit dem, wie mit
allen übrigen, fast ohne Unterbrechung auf dieselbe Weise fortgefahren
wird, bis von dem ganzen Thiere nichts mehr vorhanden ist. Der
Magen eines Eskimos scheint fast unersättlich zu seyn. So sahen un-
ter andern die Brittischen Reisenden einen Eskimo binnen 21 Stunden
101 Pf. und einen andern binnen 19 Stunden fast 10 Pf. Fleisch
verzehren, überhaupt sind die Eskimos so sorglos in Ansehung der
Zukunft, daß sie sich nicht selten den härtesten Entbehrungen ausse-
tzen, die ihnen jedoch nicht einmal eine Warnung für künftige Fälle
sind. Kaum ist die drückendste Hungersnoth überstanden, so haben
sie auch vergessen, was sie litten und denken nicht daran, daß ihnen
vielleicht am nächsten Tage schon ein ähnliches Schicksal bevorstehen
könnte.
Die Eskimos sind so unwissend, daß sie nicht über 10, die Zahl
ihrer Finger, zahlen können. Nichts desto weniger zeigen sie manche
Fähigkeit und Geschicklichkeiten, die man bewundern muß. Wir haben
schon oben ihrer Geschicklichkeit im Bauen ihrer Schneehütten und im
Nähen ihrer Kleidungen erwähnt. Dasselbe Geschick legen sie aber
auch bei der Verfertigung ihrer Kähne und Geräthe an den Tag.
Ihre Kahne oder Boote heißen entweder Kayaks oder Oomiaks
(sprich Umiaks). Der erstem bedienen sich nur die Männer und es
kann darin immer nur ein Mann sitzen; die letztern hingegen sind
für die Frauen und Kinder bestimmt, aus Holz und Fischbein zusam-
mengesetzt, mit Rennthierhäuten oder auch mit Seehundssellen verklei-
det, an den Seiten und im Boden platt und von beträchtlicher Größe.
Eins derselben war, wie Parry erzählt, 25 F. lang und 8 F. breit
und enthielt 21 Weiber und Kinder. Kapitän Lyon, welcher 1824
mit dem Schiffe Griper abgeschickt war, um einen Versuch zu machen
durch Rowes Willkommen-Straße die Repulsebai zu erreichen, sah unweit
der Küste der Insel Southampton einen Eskimo auf einer besondern
Art Fahrzeug auf sich zukommen. Dieses bestand nämlich aus drei aufge-
blasenen Säcken von Robbenfellen, welche durch ebenfalls aufgeblasene Ge-
därme zusammenhingen und leicht dahin schwammen. Der Eskimo saß in
reitender Stellung auf der einen Robbenhaut, während die zwei andern
auf beiden Seiten lagen, so daß er in einer Art von Höhlung saß. Seine
Füße, mit tüchtigen Stiefeln aus Robbenhaut bekleidet, hingen bis an