1. Bd. 3
- S. 86
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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A me rik a.
springen sie bis an bm Hals ins Wasser und behaupten, daß dies eine
gute Art sey, sich zu erwärmen. Des Nachts legen sie sich unter
freiem Himmel ganz unbedeckt neben ein hoch aufloderndes Feuer
nieder und zwar so nahe, daß sie in der heißen Asche liegen.
Sie binden sich an keinen Wohnort, sondern wandern mit ihren
großen Kähnen, worin sie ihre ganzen Habseligkeiten mit sich führen,
an den Küsten herum. Wollen sie an einem Orte verweilen, fo bauen
sie schnell eine Hütte auf, indem sie eine Menge Stäbe in einem
Viereck in die Erde stecken, die Zwischenräume mit dünnen Brettern
ausfüllen und das Dach mit Baumrinde bedecken. Mit einem sol-
chen Hause begnügen sie sich selbst beim strengsten Winter und unter-
halten dann in der Mitte desselben ein Feuer, um welches die Familie
im Kreise herumsitzt und ihre Arbeiten verrichtet. Das Innere einer
solchen Wohnung entspricht vollkommen der überaus großen Unreinlich-
keit ihrer Bewohner, die in diesem Punkte mit den schmutzigsten Thie-
ren zu wetteifern scheinen. Der Rauch, der Gestank von faulen Fischen,
von Thran und von anderm Unrath, die widerlichen Gestalten, die
zräßlichen Weiber, die beschäftigt sind, aus den Pelzen oder von den
Köpfen der Männer Ungeziefer zu suchen, das sie sogleich mit vielem
Appetit verzehren, der große gemeinschaftliche Nachttopf, der zugleich das
einzig gebräuchliche Waschwasser für die ganze Familie liefert, alles dies
vertreibt den neugierigen Europäer bald aus einem solchen Schreckens-
orte.
Ihre Speisen, die an sich schon ekelhaft genug sind, werden es
noch mehr durch die Art, wie sie dieselben genießen oder vielmehr ver-
schlingen, und bestehen fast ausschließlich pus Fischen. Am liebsten
essen sie Seehunde und Wallsische, und der Thran ist ihnen das Le-
ckerhafteste dabei. Gewöhnlich essen sie alles roh. Ihr größter Reich-
thum besteht in Seeotterfellen, welche auch die Stelle des Geldes ver-
treten. Für diese bekommen sie von den fremden Schiffen, die mit
ihnen zum Nachtheil der Russischen Niederlassung Handel treiben,
Flinten, Pulver und Blei. Es giebt keinen Kokuschen, der nicht im
Besitz von 2 oder mehr Flinten wäre, die er sehr gut zu gebrauchen
weiß. Ehemals bestanden ihre Waffen nur aus Bogen und Pfeilen.
Obgleich sie sich nicht gern in offene Fehden einlassen, so machen sie
doch häufig hinterlistige Überfälle. Die Aussicht auf Raub oder Ge-
winnung einiger Sklaven ist ein hinlänglicher Grund zu einem uner-
warteten Überfall, bei dem die empörendsten Grausamkeiten begangen
werden. Ihre Gefangenen machen sie zu Sklaven oder martern sie,
besonders wenn es Europäer sind, grausam und langsam zu Tode,
oft durch übermenschliche Arbeiten, denen der Körper auf eine qualvolle
Weise erliegen muß. Die vielen Kriege, welche die einzelnen Stämme
mit einer selbst unter Wilden seltenen Wuth und Grausamkeit gegen
einander führen, sind wohl die Ursache, daß sie sich immer mehr unter
einander aufrechen und daß die Bevölkerung dieser Gegenden so gering