1. Bd. 3
- S. 205
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Mexico.
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schöpfen und das durch die Adern tobende Blut sich berubigen zu
lassen. Um sich in einer Entfernung von 20 Schritten verständlich
zu machen, mußte man sehr stark schreien. Die Luft war hier oben
so dünn, daß man vergeblich versuchte, zu pfeifen. Wegen des steilen
Abhanges nahmen sie ihre Richtung zuerst westlich und dann wieder
östlich und gelangten gegen 2.| Uhr auf die Spitze des Berges.
Bis dahin hatten die Reifenden keine Spur von einem Krater
entdecken können, und erst in dem Augenblicke, als die höchste Höhe
erstiegen ward, that sich plötzlich ein unermeßlicher Abgrund vor ihnen
auf, dessen Anblick durch Überraschung und Schauder auf einige Au-
genblicke alle ihre Sinnen fesselte. Sie befanden sich nämlich auf
dem obersten Rande des Kraters, welcher ein unermeßlicher, fast zirkel-
runder Schlund ist und leicht eine Stunde im Umkreise halten und
eine senkrechte Tiefe von 900—1000 F. haben kann. Die innern
Seitenwände des Kraters gehen fast an allen Seiten senkrecht hinun-
ter. Bei der hellen Beleuchtung der Sonne sah man deutlich im
Abgrunde 2 Schwefelquellen, welche in weißen Dampfen dem Boden
entsteigen und sich in den untern Raumen als Schwefel niederschlagen.
Der ganze Boden sowohl als die Seitenwande sind mit Schwefel be-
deckt. In dem obern Raume des Kraters sieht man keinen Schwe-
fel, dagegen finden sich in den Seitenwanden eine Menge kleiner
runder Löcher, woraus schwefliche Wasserdampfe mit Geräusch und
Gewalt entweichen. Die Reifenden konnten keine Stetten im Krater
entdecken, wodurch es möglich wäre, in die Tiefe desselben sich her-
unter zu lassen. Nachdem die Reifenden beim Besteigen des Berges
den ganzen letzten Tag hindurch kein lebendes Wesen gesehen hatten
und überall Grabesstille geherrscht hatte, machte das plötzliche Getöse
in dem Krater einen wunderbaren Eindruck auf sie. Überhaupt hört
man von Zeit zu Zeit in ziemlich gleichmäßigen Zwischenräumen ein
unterirdisches donnerähnliches Getöse, wie eine Artilleriesalve, welche
man aus weiter Ferne vernimmt. Solche unterirdische Donner hört
man auch häufig von Mexico aus in der Richtung des Popocatepetl.
Derfebe ist keinesweges ein erloschener Vulkan, obfchon seine Ausbrüche
vielleicht schon lange vor der Eroberung des Landes aufgehört haben.
Nach den Messungen dieser Reifenden erhebt er sich 17,860 Engl.
— 16,743 Pariser F. Von seinem Gipfel aus erblickten sie in dem
unermeßlichen Gesichtskreise, welcher beinahe von dem Atlantischen bis
zum stillen Meere reicht; gegen O. die Höhen des Pic de Ocizaba
(16,332 F. hoch) und des Coffre de Perote (12,588 F. hoch); am
südlichen Fuße des Berges das Thal von Amilpas; gegen W. die
Berge von Ajusco, die Hochebene von Toluca mit ihrem stolzen
Schneegebirge des Nevado de Toluca (14,232 F. hoch); ferner zwi-
schen S. und W. die Berge der Sierra Madre in den Provinzen
Oaxaca, Mexico und Mechoacan. Vor ihnen gegen N. und N.o.
breitete sich das Thal von Mexico aus, in dessen Hintergründe man