1. Bd. 3
- S. 220
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Amerika.
Damen gewählter, durch viele grelle Farben in die Augen fallend, oft
ganz ballmäßig. Da sehr viele, ja fast die meisten Damen rauchen, so
tragen sie eine kleine goldene Zange zum Anfassen der Papier-Cigarre
an einer goldenen Kette am Gürtel oder am Halse. Die zierliche
Cigarren-Dose wird im Busentuche verwahrt. Täglich aber verschwin-
det das Besondere in Kleidung und Sitten mehr und Europäische
Trachten und Gebrauche treten an ihre Stelle, vorzüglich in größern
Städten.
Die Sitte des Rauchens hat in Mexico bei beiden Geschlechtern
eine in der That merkwürdige Verbreitung. Begegnet man einem
Freunde auf der Straße, bei dem man einige Augenblicke verweilt, so
wird das Anerbieten einer Cigarre nicht versäumt. Tritt man in ein
Haus, um einen Freund, eine bekannte Familie zu besuchen, so folgt
ein gleiches Anerbieten, und die anwesenden Damen werden keinen
Anstand nehmen, die kleine Cigarrendose hervorzuholen und mitzurau-
chen. Für das Theater, den Ball versieht man sich mit Cigarren,
denn der Anstand will es, daß man dergleichen den Damen und sei-
nen Freunden anbietet. Hat man irgend ein Geschäft, eine Sache
bei einem Bekannten abzumachen, zu überlegen, so wird gewiß eine
Cigarre angezündet, bevor man zum Abschluß kommt, denn rauchend
überlegt und denkt sichs am Besten, kurz man kann nirgends wohin
gehen, nichts thun, obne zum Rauchen aufgefordert zu werden, und
für unpassend wird es gehalten, eine angebotene Cigarre abzulehnen;
selbst wenn man nicht rauchen will, nimmt man sie an, ohne Ge-
brauch davon zu machen. Männer und Frauen würden fürchten,
einen Genuß, einen' Vortheil in Gesellschaft zu verlieren, wenn sie
keine Cigarren rauchen sollten. Die ächte Mexicanerin glaubt, ohne
Cigarre im Munde, einen Theil ihrer Zierde zu entbehren. Doch in
der Hauptstadt sieht man jetzt nur noch selten an öffentlichen Orten
rauchen. Übrigens hat man keine Tabakspfeifen, sondern bloß Cigar-
ren, deren es zweierlei giebt, Cigarren von bloßem Tabak, Puros ge-
nannt, und solche, welche aus etwas in Papier gedrehtem Tabak be-
stehen, Cigarros. Frauen rauchen nur äußerst selten Puros, sondern
fast immer Cigarros. Da letztere nur halb so lang wie die Puros
und von der Dicke eines Schreibfederkiels sind, so wird ihr Gebrauch
für anständiger als der großen Puros gehalten. Der Verkauf des Ta-
baks ist ein Monopol der Regierung, und diese soll oft im Jahre für
mehr als 7 bis 8 Millionen Piaster für verkaufte Cigarren einnehmen,
wobei man nicht vergessen darf, daß fast für eine gleiche S,umme
, Geldes an Cigarren geraucht wird, die nicht für Rechnung des Staa-
tes gemacht und unerlaubter Weise verkauft werden.
Beim Aufstehen genießt der Mexicaner eine Taffe Chocolade und
raucht dann sogleich seine Cigarre; das Frühstück besteht in Fleisch
oder Eiern und schwarzen Bohnen; das Mittagsmahl aus verschiedenen
Gerichten, worunter auch die Olla podrida, ein Gemengsel von