1. Bd. 3
- S. 230
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
230 >
Amerik a.
liche Aussicht auf das ganze Thal von Mexico mit seinen Seen,
Dörfern und herrlich angebauten Feldern und auf die zwei Bergriesen,
oen Popocatepetl und Jtztaccihuatl genießt. An der einen Seite am
Fuße des Felsens ist ein sogenannter botanischer Garten, terrassenför-
mig, mit schmalen Treppen und Wegen, die mit blau und weißen
Porzellanplatten belegt sind. An der andern Seite ist ein ziemlich
großer Raum, innerhalb der das Ganze umgebenden Mauer, parkartig
angelegt, wo sich ein Cypressenhain befindet, worunter sich zwei durch
ihre riesenhafte Größe auszeichnen. Der eine Baum, die Cypresse
des Montezuma genannt, hatte schon damals ihren vollen Wuchs
erreicht, als dieser Monarch regierte, und muß also jetzt wohl ein hal-
des Jahrtausend alt seyn. Der Stamm hat 41 F. im Umfange,
doch ist die Höhe des ganzen Baumes so majestätisch, daß selbst diese
ungeheure Masse ein schlankes Ansehen gewährt. Wenn man diese
Cypresse naher betrachtet, so scheint sie aus 3 Baumen zu bestehen,
welche sich nach der Wurzel zu so dicht verbinden, daß sie sich zu
einem Stamme vereinigen. Eine andere Cypresse hat 38 F. im
Umfange. Schmarotzerpflanzen (^illnnclsin Usneoides), welche wie
langes graues Moos aussehen, umgeben Stamm und Zweig und hangen
in langen Fäden herunter, gleich grauen Haaren; sie ziehen sich von
einem Baume zum andern und umschlingen so den ganzen Hain wie
mit einem Netze, durch welches kein Sonnenstrahl dringen kann *).
Bemerkenswerth ist auch in den Umgebungen von Mexico das
große Dorf Guadeloupe, wegen seines Klosters Unserer lie-
den Frauen zu Guadeloupe, welches der berühmteste Gnadenort
Amerikas ist, und sich in 3 Tempel theilt, von welchen der vornehmste
sich durch ungemeine Größe, Pracht und Reichthum auszeichnet. Man
sieht hier das Bild der Mutter Gottes, von welchem die Volkstradi-
tion sagt, daß sie es selbst gemalt habe. Es strozt von Gold, Silber
und Edelsteinen. Ein großer mit der Kirche verbundener Pallast ent-
hält die prachtvollenwohnungen der Stiftsherren. Viele tausend
Pilger wallfahrten jährlich aus den entferntesten Theilen Mexicos
hieher. Die hinter der Kirche, auf einem Felsen erbaute Kapelle heißt
das steinerne Schiff. Die heilige Jungfrau von Guadeloupe gilt
für die Schutzheilige Mexicos.
*) Eine noch größere Cypresse und vielleicht der größte Baum der Welt,
steht bei Santa Maria de Tute, Ls/? M. von der Mexicani-
schen Stadt Oaraca, und prangt in voller Üppigkeit seiner Vegetation.
In einigen Meilen Entfernung gleicht er einem isolirten grünen Berge
mitten in der Ebene des Thales. Der Schaft ist ein einziger Stamm.
Ein Reisender, der ihn an Ort und Stelle maß, fand den Umfang des
Stammes, 4 F. hoch von der Erde, 74 F. _ Der Durchmesser seines
Schattens, wenn die Sonne im Zenith steht, ist 230 F. und der ganze
Baum völlig gesund. Er stand in der Vorzeit vor einem Teocalli, auf
dessen Stelle jetzt eine schöne Kirche steht, welche, obschon sie groß und
geräumig ist, sich neben dem ungeheuren Baume, wie eine kleine Kapelle
ausnimmt.