1. Bd. 3
- S. 266
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Amerika.
schmutzig und bei anhaltender Dürre staubig sind, und wo überall der
Geruch des tasago (gedorrtes Fleisch, das als Nahrung der Sklaven
in allen Hausern aufgehäuft ist) erstickend wirkt, trifft man nur Last-
träger und beladene Sklaven, Lastwagen und Volantes *) der Ge-
schäftsleute, welche schnell jagend, Haufen von Koth und Staubwolken
aufregen. Im Hafen, auf den Kais, im Innern der Stadt athmet
alles Thätigkeit und Bewegung, doch ohne Luxus, ohne das Ange-
nehme, Reinlich-Behagliche, welches sich in den meisten Handelsstädten
Europas findet. Bloß der Abend versammelt auf dem Nuevo Paseo,
einem herrlichen Spaziergänge, außerhalb der Mauern der Stadt, bunte
Gruppen lustwandelnder Herren und Damen, so elegant geputzt, wie
nur immer die schöne Welt in Europa. Dieser Spaziergang besteht
aus drei ziemlich langen Alleen von schönen tropischen Bäumen. Die
mittelste und breiteste ist für die Volantes bestimmt, deren man in
dieser Allee Hunderte fahren sieht, die mit den Schönen der Stadt
gefüllt sind, welche hier die frische Lust einathmen und unter dem er-
frischenden Laube der Orangen, Pisangs und Brodftuchtbäume, mit
denen dieser Modespaziergang geschmückt ist, die Bewunderung der Be-
obachter erregen wollen. Die beiden andern Alleen dienen für die lustwan-
delnden Herren und Damen. An Sonn- und Festtagen spielen auch die
Hautboisten der Besatzungsregimenter daselbst. Bei Mondschein ist dieser
Spaziergang besonders sehr angenehm. Die Alameda, ein anderer
Spaziergang, an deren Ende das Theater steht, wird meistens nur in
den Zwischenakten besucht.
Der schönste Theil der Stadt ist die plaça d’armas (Waffen-
platz). Zwei Seiten dieses zierlichen Platzes nehmen die Palläste des
Gouverneurs und des Intendanten ein, die mit geräumigen Säulengän-
gen versehen sind, welche sich vor dem ganzen Untergeschosse hinziehen.
Die Mitte desselben ist mit Springbrunnen, Statuen, einer großen
Menge von Blumen, Sträuchern und Bäumen geziert, von hübschen
mit Kies bestreuten Alleen durchschnitten und mit steinernen Ruhebän-
ken, die eiserne Rücklehnen haben, umgeben. An diesem Platze steht
auch eine Kapelle zum Andenken der ersten Messe errichtet, welche hier
bei der Entdeckung der Insel durch Columbus, unter dem Schatten
eines ungeheuren Ceiba (Baumwollenbaumes), der noch vor wenigen
Jahren hier stand, gelesen wurde.
Unter den zahlreichen Kirchen, die hier sich nicht durch schöne
Bauart auszeichnen, niedrig und eng und in ihrem Innern mit Al-
tären, Nischen und geschmacklosen aber kostbaren Verzierungen überla-
*) Bo lautes sind die gewöhnlichsten Fuhrwerke, deren man sich in
Havana bedient. Sie sehen den Englischen Kabriolets ähnlich, haben
6 8- hohe Räder und können deswegen nicht so leicht umfallen. Diese
Räder liegen so weit zurück als möglich und das Pferd, das dieses
Fuhrwerk zieht, ist eben so weit vorwärts angespannt, so daß es ganz
vorn an der Gabel befestigt ist.