1. Bd. 3
- S. 305
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
305
Col ombi sch e Republiken.
giment Soldaten, das in der großen Kaserne unter den Waffen stand
und eben sich zur Prozession begeben sollte, ward, mit Ausnahme
weniger Einzelner, unter den Trümmern dieses großen Gebäudes ver-
schüttet. Neun Zehntheile der schönen Stadt Caracas wurden gänzlich
zerstört.
Wenn die Zahl der Todten in dieser Stadt auf 9—10,000 be-
rechnet wird, so sind dabei die Unglücklichen noch nicht in Anschlag
gebracht, welche schwer verwundet, nach Monaten erst, aus Mangel
an Nahrung und Pflege umkamen. Die Nacht vom Donnerstag auf
den Charfreitag bot den Anblick eines unsäglichen Jammers und Un-
glücks dar. Mütter trugen Kinderleichen im Arm, durch die Hoff-
nung getauscht, sie wieder ins Leben zu rufen. Jammernde Familien
durchzogen die Stadt, um einen Bruder, einen Gatten, einen Freund
zu suchen, dessen Schicksal unbekannt war und den man im Gedränge
verloren glauben konnte. Man drängte sich in den Straßen, die an
Trümmer- und Schutt-Reihen einzig noch kennbar waren. Alles
Unglück, das in den großen Jammerszenen von Lissabon und Messina
(B. I, S. 108 und 465) erlebt worden war, wiederholte sich an dem
Schreckenstage des 26. Marz 1812 zu Caracas.
Bogota, sonst Santa Fe de Bogota, die Hauptstadt der
Republik Neugranada, liegt auf einer 8000 F. über dem Meere er-
habenen Hochebene der östlichen Andenkette, am Fuße zweier Berge,
des Montserrat und Guadelupe, welche auf ihren Gipfeln Klöster tra-
gen, und genießt durch ihre hohe Lage ein gesundes, erfrischendes Klima,
welches den Anbau aller Europäischen Getreidearten gestattet, die im
Jahre zweimalige Erndte geben. Diese Hochebene von Bogota, von
N. nach S. 9| M. lang und fast 5 M. breit, ringsum von Ber-
gen umgeben, gewahrt den Anblick einer fast ganz wagerechten Ebene.
Diese Stadt, von 40,000 Menschen bewohnt, hat einen großen Um-
fang, (da sie sehr viele Garten und Klöster einschließt), in rechten
Winkeln einander sich durchschneidende Straßen, die gerade und mit
Trottoirs versehen sind, und meistens einstöckige Hauser, mit außer-
ordentlich starken Mauern und selten mit Glasfenstern. Die häufigen
Erdbeben sind die Ursache, daß man die Häuser von so geringer Höhe
erbaut. Um den innern Hof der Hauser zieht sich gewöhnlich eine
Gallerie. Die größte und schönste Straße ist die Königs- oder je-
tzige Republikanerstraße, welche sich an dem schönsten Platze der
Stadt endigt, auf welcher die 1814 erbaute prächtige Kathedrale, die
aber bei dem furchtbaren Erdbeben 1827 zerstört wurde, das schöne
Regierungsgebäude und das Zollhaus stehen. Auf diesem Platze wird
alle Freitage Markt gehalten, der durch das bunte Gewühl der mit
Einkäufen und Verkaufen beschäftigten Kreolen, Mulatten, Mestizen,
Indianer und Neger, und durch die Mannigfaltigkeit von Waaren,
namentlich der Gemüse und Baumfrüchte dem Fremden ein interessan-
tes Schauspiel darbietet.
Cannabich's Hülfsbüch. Iii. Band.
20