1. Bd. 3
- S. 320
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Amerika.
westlichen Ende unter 16° 39' herausfließt *) und im Vergleich mit
der großen Ausdehnung des Sees ein unbedeutendes Wasser ist, was
sich durch die große Ausdünstung erklärt, welcher seine Oberflache in
einer außerordentlich trocknen und verdünnten Atmosphäre, als Folge
seiner ungeheuren Hohe, ausgesetzt ist. Die Breite des Desaguadero
fand Pentland im Anfang der Regenzeit und dicht an seinem Ursprünge
im See 138 F.; seine Tiefe war bedeutend. Das Thal des Desa-
guadero ist von Gebirgen begranzt und hat keinen Abfluß nach dem
Meere.
Der Titicaca-See enthalt eine Menge kleiner Inseln, von wel-
chen diejenige, nach welcher er den Namen führt, an seinem südöstli-
chen Ende liegt. Sie ist die größte und die berühmteste, denn die
Sage hat hieher die wunderbare Erscheinung von Manco-Capac gesetzt,
des ersten Inka der alten Peruanischen Herrscher-Dynastie, die ein Reich
stiftete, das sowohl in Hinsicht seiner Größe, als der Civilisation seiner
Unterthanen das merkwürdigste in der Geschichte Amerikas geworden ist.
Die Jiisel Titicaca enthalt noch immer eine Menge Ruinen des alten
Peruanischen Reichs. Eben so zeugen noch die gigantischen Monu-
mente von Tiaguanaco, welche sonst der See von Titicaca bespülte,
jetzt aber durch die Abnahme der Gewässer desselben, eine bedeutende
Strecke davon entfernt sind, von der Civilisation der Peruaner und
scheinen auf eine noch frühere Kultur derselben hinzudeuten, als die-
jenige, die mit der Erscheinung des Manco-Capac ihren Ansang nahm.
Pentland, dieser emsige Erforscher des Hochlandes von Peru, hat
um den Titicaca-See unzählige Grabmahler entdeckt, von denen ec
Hunderte geöffnet und untersucht hat. Diese Monumente sind groß-
artige Bauwerke, kyklopischen Überresten gleichend und Römischer und
Griechischer Architektur nicht unwürdig, und daher einen hohen Grad
von Civilisation bezeichnend. Aber die merkwürdigste Erscheinung ist,
daß sie die sterblichen Überreste von Menschen jeden Alters, von der
zartesten Kindheit bis zum Greisenalrer enthalten, deren Schädel zu
beweisen scheinen, daß sie einem ausgestorbenen Menschengeschlechte an-
gehörten, welche vor mehr als 1000 Jahren Hochperu bevölkerte und
von allen Sterblichen verschieden war, die jetzt auf der Erde wohnen.
Die Schädel sind wegen des außerordentlichen Vorsprungs des Hinter-
hauptes merkwürdig, der so groß ist, daß man nicht weiß, wie die
Leute ausrecht gehen konnten. Auch die Gesichtsknochen sind unge-
mein lang, so daß man auf die Vermuthung kommen könnte, sie hat-
ten eher der Assenfamilie als dem Menschengeschlechte angehört. Wie
*) Irrig ist die Annahme Einiger, daß der Desaguadero in den See
hineinfließe, während er doch herausfließt, was schon sein Namen,
welcher so viel als Abfluß, Ablaufkanal bezeichnet, andeutet. Der
Irrthum entstand durch die Verlegenheit, in welcher sich die Karten-
zeichner befanden, auf eine andere Weise über sein Wasser zu verfügen,
indem es ihnen unbekaunt war, daß es durch Ausdünstung verschwinde.