1. Bd. 3
- S. 347
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
ir
Chile. 347
Indianer Amerikas beherrscht, findet bei den Araucanen Statt. Ge-
gen Verunglückte haben sie kein Mitleiden; ihre Raubsucht hört die
Stimme der Menschlichkeit nicht, und wie nach vielen andern Dingen,
sieht man sie auch nach der ihnen angedichteten rauhen Rechtlichkeit
umsonst um. Der unbeschühte Fremdling mag sein Glück preisen,
wenn er ihren diebischen Handen nackt entkommt. Insbesondere aber
stehen die Moluchen in dem schlechtesten Ruse und gelten für sehr
verrächerisch, daher auch unter den Pehuenchen der Name Moluche
gerade für ein Schimpfwort gilt, dem Namen Auca ganz gleichbedeu-
tend, und kein Indianer laßt sich den letztem Namen ohne Zorn ge-
den." So weit unser Poppig. Vergleichen wir damit, was ein
anderer neuer Reisender, der Franzose Lesson von den Araucanen
sagt. Nach ihm bilden sie eine kriegerische Völkerschaft, die in noma-
dische und festwohnende Stamme getheilt ist, welche in Dörfern woh-
nen, die unter der Herrschaft eines Kaziken stehen und unter einander
durch eine Art von Föderation vereinigt sind, welcher die erfahrensten
und ältesten Oberhäupter vorstehen.
Die Sitten dieser Indianer sind, obgleich sie unter dem Einflüsse
eines Anfangs von Civilisation stehen, zur Grausamkeit geneigt. Krie-
gerische Gewohnheiten, welche alle dahin gehen, auf einen Feind los-
zustürzen, und ihn alles dessen zu berauben, was er hat, lassen weder
Mitleid noch menschenfreundliche Gesinnungen in ihnen aufkommen.
Das Recht der Stärkern gilt bei ihnen als höchstes Gesetz. Durch
mehrere physische Eigenthümlichkeiten unterscheiden sie sich von andern
Indianern. Die Männer sind stark und kraftvoll gebaut, und zeich-
nen sich durch ein in hohem Grade ausgebildetes Muskelsystem aus.
Ihr Wuchs ist mittelmäßig groß; ihr Gesicht kupferfarbig, flach und
groß und erhalt durch die Wildheit einen finstern und mißtraui-
schen Ausdruck; das Auge klein und schwarz, die Nase platt, das
Kinn rund und von bedeutender Größe, die Lippen groß, das Haar
schwarz, lang, struppig, hangt wild um den Kopf und bis auf die
Schultern hinab und bedeckt, wenn er feinen Feind angreift, einen
Theil des Gesichts. Häufig beschmieren sie sich bei solchen Angriffen
mit Pferdeblut. Alles dies, in Verbindung mit ihren kecken Bewe-
gungen, giebt ihrem ganzen Ausdruck einen Charakter von Wildheit,
der zurückstoßend ist, und ihr ganzes Wesen spricht den kräftigen und
muthigen Krieger aus.
Die Weiber sind kleiner als die Männer und von zarterer Form,
und viele unter ihnen, besonders unter den Mädchen sind sehr hübsch.
Sie haben das Haar in lange Zöpfe geflochten, welche mit einem
Bande umwunden sind und bei manchen bis in die Kniekehle herab-
hängen. Das Schicksal der Frauen ist, wie bei allen uncivilisirten
Völkern, eine harte Sklaverei, und sie sind jn den Augen der Männer
nichts Anders, als Lastthiere, auf denen alle Beschwerden des Lebens
ruhen, ohne daß sie die geringsten Annehmlichkeiten desselben zu ge-