1. Bd. 3
- S. 354
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Amerika.
zeit, und seitdem herrscht er mit unumschränkter despotischer Geweilt,
ohne irgend eine andere neben sich weder in weltlichen noch geistlichen
Sachen anzuerkennen. Seine ganze Politik strebt dahin, einziger und
unumschränkter Herr und Gebieter des Landes, der Bewohner und
ihrer Güter zu werden und zu bleiben, und aus diesem Grunde sucht
er sein Volk so viel als möglich vor jeder Verbindung mit dem Aus-
lande zu bewahren, damit es nicht von andern Völkern Begriffe er-
halte, deren Verbreitung seinen Absichten hinderlich seyn könnte. Er
hat gewissermaßen ein ganzes Volk in immerwährende Gefangenschaft
gesetzt. Man kommt in das. Land hinein, aber man kommt nicht
wieder heraus. Außer den unzahlbaren Wachposten, welche die Grän-
zen besetzt halten, lauft man Gefahr eines tausendfältigen Todes in
den Wäldern, die mit Wilden und mit Raubthieren bevölkert sind, und
in Einöden, wo man vor Ermüdung, Hunger und Durst umkommt.
So befanden sich 1825 nicht weniger als 67 Individuen aus allen
Nationen daselbst in politischer Gefangenschaft. Es ist ihnen irgend
ein Ort zur Wohnung angewiesen, von dem sie sich nicht weiter als
einige Stunden entfernen dürfen. Versuche der Entweichung sind mit
dem Tode bedroht. Alle diese Fremden beschäftigen sich indeß mit
einem Gewerbe, wozu die Fruchtbarkeit des Landes und die Handels-
sperre, indem sie den Absatz einheimischer Produkte und Fabrikate
sichert, reichliche Gelegenheit darbietet. Dieses Loos der Gefangenschaft
hatten unter andern die beiden schweizerischen Gelehrten Rengger
und Longchamp, die eine naturhistorische Reise nach Südamerika
machten und auf derselben 1819 nach Assuncion kamen, wo sie erst
nach 6 Jahren ihre Freiheit wieder erhielten. Ihnen verdankt man
die ersten sichern Nachrichten über den gegenwärtigen politischen Zustand
Paraguays *). Eine noch längere Gefangenschaft mußte Bonpland,
der berühmte Freund und Reisegefährte des großen Humboldt erdul-
den, nämlich vom I. 1821 bis 1832, wo er seine Freiheit wieder
erhielt und im Sommer 1832 zu Buenos Ayres eintraf. In Pa-
raguay lebte derselbe zur Zeit des Aufenthaltes der oben genannten
Schweizerischen Gelehrten, in der Gegend des Fleckens Santa Ma-
ria, wo er sich mit dem Landbau beschäftigte, der ihm kaum den
Lebensunterhalt verschaffte, aber geliebt und geachtet von den Bewoh-
nern der Gegend, denen er sowohl durch seine Kentnisse überhaupt,
als durch ärztliche Hülfe sich höchst nützlich bewies.
Abgesehen von dem grausamen Despotismus Francias, worin er
jedoch in neuern Zeiten so wie er auch in der strengen Befolgung
seines Jsolirungssystems von Paraguay nachgelassen haben soll, ist der
*) Historischer Versuch über die Revolution von Paraguay und die Di-
rectorial-Rcgierung von Francia. — Ein Abschnitt der Reise nach
Paraguay von Rengger und Longchamp. I. Band, Stuttgart und
Tübingen 1827.