1. Bd. 3
- S. 369
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
La Plata-Provinzen.
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2 Millionen Stück Vieh zu Grunde gegangen sind; zum Glück ereig-
nen sich solche große Verluste nur sehr selten.
Die unermeßlichen Flächen der Pampas werden nicht dem ersten
Besten, der sich darauf anzusiedeln gedenkt, überlassen, sondern allesland,
das noch nicht als Besitz übertragen worden ist, bildet Staatseigenthum
und man muß sich an die Regierung wenden, wenn man einen An-
theil daran erwerben will. Solche Grundbesitzungen, die bloß zur
Viehzucht bestimmt sind und zwar in einem Maßstabe wie er in Eu-
ropa unbekannt ist, heißen Estancias *) und die Besitzer solcher
Estancias nennt man Estancieros. Dergleichen Estancias haben
zuweilen einen Umfang von 40 bis 50 Stunden. Außer guter Be-
schaffenheit und reichlichem Überflüsse der Weide sind bei einer Estancia
mehrere andere Eigenschaften nöthig, ohne die kein gedeihliches Be-
treiben der Viehzucht aus derselben möglich ist. Die erste ist, daß sie
beständig Wasser vorräthig habe, sey es durch Bäche oder Lagunen
(so nennt man nämlich die kleinen Teiche, die sich in Vertiefungen
des Bodens aus dem Regenwasser bilden). Die zweite sehr beachtete
Eigenschaft besteht darin, daß eine Estancia natürliche Gränzen hat,
durch die das Vieh gehindert wird, sich zu verlaufen, wenn sie z. B.
zwischen 2 Flüssen liegt, die sich in einander ergießen. Wenn endlich
eine Estancia keine großen Strecken von Buschholz in der Nähe hat,
wo die Thiere sich verlaufen oder raubgierige Indianer heranschleichen
und sich in Hinterhalt legen können, so besitzt sie alle vorzüglichen
Eigenschaften. Letztere Bedingung ist um so unerläßlicher, als die
Pampas auf 70 Stunden weit von Buenos Ayres noch im Besitze
zahlreicher Jndianerstämme sind, die in ihren unermeßlichen Wüste-
neien herumirren und von Zeit zu Zeit nur erscheinen, um das Vieh
zu rauben. Den Umfang einer Estancia kann man schon daraus er-
messen, daß man nur 1500—2000 Stück Vieh auf einer ssssstunde
weiden läßt.
Denken wir uns jetzt eine Estancia, zu der 12,000 Stück Vieh
gehören. Das Haus ihres Eigenthümers liegt so viel als möglich in
der Mitte der Besitzung, am Ufer eines fließenden Wassers und auf
einer jener wellenförmigen Erhöhungen des Bodens, die man strichweise
in den Pampas wahrnimmt **). Es besteht gewöhnlich aus einem
Hauptgebäude von Backsteinen und einigen Ranchos (Hütten) für
die Peo ns (Viehknechte), die zum Dienste der Besitzung gehören.
Nebenan liegt der Corral, eine kreisrunde Befriedigung von mehr
oder minder ausgedehntem Umfange, aus Pfählen, die in die Erde
*) In den Llanos (B. M, 284) heißt eine Estancia gewöhnlicher Ha to.
**) Diese Erhöhungen oder Landbänke (man nennt sie Lomas), die wir
schon in den Llanos gefunden haben (B. Hl, 283), sind mitunter von
ungeheuren Ausdehnungen, erheben sich aber kaum 24—30 F. über
die völlig horizontale Pampasebene.
Cannabich's Hülssbuch. Iii. Band.
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