1. Bd. 3
- S. 378
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Amerika.
Pferde. Bald darauf erfchien der Priester wieder, segnete die Anwe-
senden und kniete an der Kirchthür nieder, die ersten Theile des
Vaterunsers und Avemarias laut betend, worauf alle deutlich und lang-
sam mit dem zweiten Theile antworteten." Übrigens sah man auf
diesem Platze außer der kleinen Kapelle weiter keine Gebäude, als da-
neben die mit Schilf gedeckte Wohnung des Geistlichen, und etwas
entfernter eine Schenke oder Pulperia.
Wahrhaft bewundernswürdig ist die Geschicklichkeit und Fertigkeit,
mit welcher sich die Gauchos des Lasso (Riemenschlinge) bedienen.
,,Man muß sich wundern,. sagt ein Reisender (der Kapitän Hall *),
daß bet) Lasso mit so unsehlbarer Gewißheit geworfen werden kann,
und wer zum erstenmal Augenzeuge davon ist, möchte glauben,
daß Hexerei im Spiele sey. Selbst wenn man still steht, ist es kei-
nesweges leicht, ihn zu werfen; allein wenn dieses von einem galoppi-
renden Pferde herab geschieht, so ist natürlicher Weise die Schwierigkeit
um Vieles größer. Allein die Gauchos besitzen eine solche Geschick-
lichkeit, daß sie des Thieres, welchem sie nachsetzen, nicht nur gewiß
sind, sondern ihren Lasso auch an jeden besondern Theil nach Belieben
schleudern können; über die Hörner, um den Hals oder Leib, um
eins, 2 oder alle 4 Beine; und dies geschieht mit einer solchen Leich-
tigkeit und Sicherheit, daß man nur als Augenzeuge die dazu erfor-
derliche Geschicklichkeit beurtheilen kann. Soll ein wilder Ochs gefan-
gen werden, so machen sich zwei Gauchos dazu fertig, und sobald sie
ihn entdecken, fassen sie den zusammengerollten Lasso, der mit dem ei-
nen Ende an den Gurt des Pferdes befestigt ist, mit der Linken, setzen
die Schlinge mit der Rechten in Bereitschaft und sprengen in vollem
Galopp, indem sie den Lasso um den Kopf herumschwingen. Der
erste, welcher sich dem Ochsen auf Wurfweite nähert, zielt nach den
Hörnern desselben, und sobald ec sieht (was im Augenblick geschieht),
daß der Lasso die gehörige Wirkung thun wird, hält er sein Pferd
an und wirft es halb herum, während der Ochse seinen Lauf so lange
fortsetzt, bis der ganze 40—50 F. lange Lasso dem Gaucho aus der
Hand gelaufen ist. Mittlerweile lehnt sich das Pferd, welches schon
weiß, was geschehen wird, 'so weit wie möglich zurück und erwartet
zitternd den heftigen Ruck, welchen ihm der Ochs durch das Anziehen
des Riemens verursacht. Jener ist so gewaltig, daß das Pferd gewiß
umgerissen würde, wenn es sich nicht auf die entgegengesetzte Weise
lehnte. Da es aber in dieser Lage die Füße fest wider den Boden
stemmt, leistet es so kräftigen Widerstand, daß der Ochs plötzlich in
seinem Laufe aufgehalten wird, und in manchen Fällen geschieht dies
*) Basil Hall, Auszüge aus einem Tagebuche, geschrieben auf den Küsten
von Chili, Peru und Mexiko in den Jahren 1820, 1821 und 1822.
2 Bände. Aus dem Engl, übersetzt. Stuttgart und Tübingen 1824
und 1825.