1. Bd. 3
- S. 381
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
La Plata-Provinzen.
38 t
Wan schätzt jetzt die Bevölkerung dieser Stadt auf 90,000
Menschen, worunter 30,000 Fremde, und zwar 8000 Engländer,
5000 Franzosen, 6000 Italiener, 3000 Deutsche, 4000 Portugiesen
und Spanier, den Rest bilden Nordamerikaner, Brasilianer rc. Die
Form der Stadt ist ein Rechteck von £ Stunden Lange und £ Stunde
Breite, in 360 Euadras oder Hauser-Vierecke getheilt, welche 61 Cal-
les oder rechtwinklige Straßen zwischen sich lassen. Die Cuadra ist
auf jeder Seite 400 F. lang; 16 Cuadras bilden ein Cuartel oder
Viertel. Im Ganzen zahlt man 29 Viertel, welche mit der Zeit
464 Cuadras bilden sollen. Alle Straßen laufen den 4 Weltgegen-
den entsprechend und haben Trottoirs, welche durch hölzerne Pfahle
geschützt werden. Die Hauptstraßen sind ^gepflastert und geebnet, be-
sonders diejenigen, welche zu dem Platze Victoria führen. Entfernt
man sich jedoch von diesem Centralpunkte, so erschreckt man vor den
abhängigen Fußsteigen und tiefen Gruben mit ihrem Schmutze zur
Regenzeit und ihren Löchern in der trocknen Iahrszeit. Ja diese sind
oft mit Ochsen- und Pserdeköpsen, selbst mit ganzen Thiergerippen
gefüllt. Glücklich genug, wenn uns nicht der faulende Leichnam eines
Thieres den Weg ganz und gar versperrt. Die Hauser sind ein- und
zweistöckig, viereckig, ziemlich groß und sehr fest gebaut und mit plat-
ten Dächern versehen. Die meisten haben 3, bisweilen auch 4 Höfe
und außerdem einen Garten. Der erste Hof (patio primero) ist
der Ehrenhof, gut gepflastert, oft mit Marmor; der zweite ist für die
Dienerschaft bestimmt, der dritte Corral oder Park) enthält die Pferde,
das Geflügel rc. Die Zimmer sind viereckig um die Höfe her ange-
legt. Der Saal ist geräumig, sehr hoch und gut ausmöblirt. Die
Schlafzimmer der Herrschaft füllt ein ungeheuer hohes Paradebette,
das mit seidenen Vorhängen geschmückt ist. Die Häuser der mittlern
Klassen und der Armen sind natürlicher Weise weniger gut eingerichtet.
Doch fehlt das Paradebett nicht, in welchem man selten schläft, in-
dem man das Feldbette vorzieht, auf welches man sich ganz gekleidet
hinwirft. Eine Familie, die kein Forte-Piano besitzt, muß sehr arm
seyn; denn jedermann ist hier musikalisch.
Es giebt 10 öffentliche Plätze. Die merkwürdigsten darunter
sind der Platz des 25. Mai und der Siegesplatz (Plaza
de la Vittoria). Der erstere hat seinen Namen, weil hier an die-
sem Tage im I. 1810 zuerst der Ruf der Unabhängigkeit ertönte.
Auf der einen Seite desselben liegt die Festung oder das Fort (el
fuerte), das eine Vereinigung mehrerer großer Gebäude ist, von einer
dicken Mauer umgeben, welche durch einen mit Kanonen bespickten
Wall beherrscht und von einem Graben gedeckt wird, über den man
nur durch eine Zugbrücke gelangen kann. Die Festung, in welcher
alle von der ausübenden Gewalt abhängigen Behörden ihren Sitz ha-
den (nur der Gouverneur wohnt hier nicht), beherrscht die kleine Rhede
und den Mittelpunkt der Stadt. Aus der andern Seite dieses Platzes