1. Bd. 3
- S. 400
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
400
Amerika.
Kleidung betrifft, so bedeckt ein Poncho ihre nackten Schultern und um
die Hüsten schlagen sie eine Decke (Chamal), welche bis auf die Knö-
chel herabhangt und einem Weiberrocke gleicht. Beinkleider und Hem-
den tragen sie nicht. Ihre Zumeles (Reitstiefeln) sind mit sehr schwe-
ren silbernen Knöpfen besetzt; der Zaum und der fußbreite silberne
Schild, welcher von reichern Kaziken getragen wird, mögen bisweilen
einige 100 Thlr. werth seyn. Kein Pehuenche bedeckt das Haupt.
Man laßt das Haar zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen wachsen
und knüpft es in einen Known, durch den ein rothes Band gefloch-
ten wird. Die Weiber hüllen sich in eine einfache wollene Decke,
welche die Arme bloß laßt und mit einem Gürtel befestigt wird. Das
Kopfhaar hangt in zwei langen Zöpfen herab, die weiter unten durch
Schnüre im Halbkreis verbunden werden, an denen eine Menge von
Schellen, Glaskorallen und polirten Kupferstücken hangt. Ähnliche
Ketten umgeben den Hals und so plump ist der Schmuck, daß er zu-
sammen einige Pfund wiegt. Der Wohlhabenheit einer Frau ent-
spricht die Größe und Schwere dieses Putzes und aus dem Klirren
des noch ungesehenen Besuchs kann man leicht auf seine Wichtigkeit
schließen.
Überhaupt sind die Pehuenchen äußerst putzsüchtig und ziehen sehr
geputzt und weibisch geschmückt in den Krieg. Stets sind sie mit ir-
gend einem ihrer Nachbarvölker im Kriege begriffen, wozu der Grund
in den Verhältnissen des nomadischen Lebens liegt. Als Besitzer groß-
ßer Heerden müssen sie weit umherziehen, um neue Weiden aufzu-
finden. Begegnen sie nun innerhalb des Landstrichs, den sie durch
Überlieferung als Eigenthum ansehen, einem andern Stamme, so
kommt es zu Streitigkeiten und zum Krieg. Bei ihren Überfallen wis-
sen sie es so einzurichten, daß sie bei dem Granzorte, der dem Angriffe
geweihet ist, des Nachts eintreffen. Kaum graut der Morgen, so
stürzen sie unter furchtbarem Geschrei und ohne Ordnung in den Ort,
und so rasch verbreitet sich die wüthende Horde, daß den Einwohnern
selten Zeit zur Flucht bleibt. Die Szene von Barberei, die dann be-
ginnt, ist grausenhaft. Was irgend Werth zu haben scheint, wird
geraubt, das Übrige zerstört, die Heerden werden weggetrieben und der
Ueberfluß derselben getödtet. Die Männer und halberwachsenen Kna-
den werden ohne Barmherzigkeit gemordet, den altern Frauen bleibt
nach mancher rohen Mißhandlung das Leben. Die Mädchen und die
jüngern Weiber werden fortgeführt und haben, zum Leben mit dem
Sieger verurtheilt, nur wenig Hoffnung, je ihr Vaterland wieder zu
sehen. Den Beschluß macht das Anzünden der ärmlichen Hütten,
worauf der furchtbare Schwarm eilig abzieht. In weniger als 2
Stunden ist alles dies verübt. Eben so schnell als die Pehuenchen
kamen, verschwinden sie und nur die rauchenden Trümmer und der
Jammer der wenigen am Leben gebliebenen Bewohner zeugen von dem
verderblichen Besuch.