1. Bd. 3
- S. 463
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Brasilien. , 463
schwarzen, straffen, glänzenden Kopfhaare hingen einigen wild herab,
die meisten jedoch trugen sie rings um den Kops, von unten bis ei-
nen Zoll hoch über die Ohren, glatt abgeschoren. Ihre verwilderten
Gesichtszüge waren durch Holzscheiben von mehreren Zollen Durch-
messer, welche sie in der durchbohrten Unterlippe und in den Ohren-
lappen trugen, auf das Entsetzlichste entstellt. So sehr uns auch die
trostlose Physiognomie dereoroados, Puris und Co ropos mit
Bedauern und Mitleiden erfüllt hatte, so machte doch jetzt einen viel
schrecklichern Eindruck der Anblick von Menschen, die fast keine Spur
von Humanität in ihrem wüsten Aeußern trugen. Indolenz, Stumpf-
sinn und thierische Rohheit waren in ihren viereckigen, plattgedrückten
Gesichtern, in ihren kleinen und furchtsam stieren Augen; Gefräßig-
keit, Trägheit und Schwerfälligkeit in den wulstigen Lippen, in dem
Hängebauche, wie in dem ganzen Körper und dem Gange ausgeprägt."
Man schätzt die Zahl der Botocudos auf etwa 12,000. Sie ge-
hen alle, Männer und Weiber, nackt, beschmieren ihre Haut auf ver-
schiedene Weise mit Roth und Schwarz, je nach dem Geschmacke der
Person, und schneiden sich das Haar kahl ab bis auf 1 oder 2 Zoll
über den Ohren, so daß nur eine Art Plattmütze auf dem Scheidet
übrig bleibt. Sie theilen sich in verschiedene Stämme, deren jede ei-
nen völlig unabhängigen Häuptling hat, dessen Würde jedoch nicht
erblich ist, sondern den Tapfersten gegeben wird. Ihre Verwandten
pflegen sie, wenn dieselben krank sind, mit großer Sorgfalt und be-
weinen sie, wenn sie gestorben sind. Die Mädchen werden lange vor
dem Alter der Mannbarkeit verheirathet. Gefallen sich zwei Kinder,
so erklärt man sie für Mann und Weib. Die Hochzeit wird durch Tänze
und ein Gastmahl gefeiert, dem eine Jagd vorhergeht. Der Mann
kann seine Frau verlassen, wenn es ihm gefällt, und nichts ist ge-
wöhnlicher unter ihnen als Ehebruch. Gegen Greise haben sie eine
große Ehrfurcht, und zeigen viel Neugierde bei ihnen unbekannten Ge-
genständen und betrachten sie mit Wohlgefallen, doch ohne das min-
deste Erstaunen zu erkennen zu geben. Beleidigungen vergeben sie
nicht; Rache ist ihr heftiges Verlangen und eifriges Bestreben; wobei
sie dann Grausamkeit und unversöhnlichen Haß beweisen gegen ihre
Unterdrücker und Beleidiger. Zur Schlichtung ihrer Streitigkeiten un-
ter sich selbst, bedienen sie sich großer Stangen, womit sie in blinder
Wuth auf einander losschlagen, gleichsam eine Art von Zweikampf.
Sie pflegen nämlich, sobald sie von einer andern Truppe beleidigt
werden, ganze Bündel von Stangen mit sich zu führen und wenn
sie auf ihren Streifereien der feindlichen Parthei begegnen, diese so-
gleich mit Geschrei zum Kampfe herauszufordern. Die Vorrichtungen
zum Kampfe werden gemacht, die Anführer ordnen ihre Leute und ge-
den nach einigen Ermunterungen zur Tapferkeit, das Zeichen zum
Angriffe, worauf die Kühnsten und Stärksten hervortreten, Mann
gegen Mann den Kampf des Rechts und der Kraft zu beginnen.