1. Bd. 3
- S. 490
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
490
Australien.
eine männliche Gesichtsbildung mit verstellter Sanftmuth oder kriege-
rischer Wildheit, eine hellgelbe Hautfarbe, dunkler bei den Bewohnern
der Korallen-Inseln, schwächer und fast weiß bei den Frauen. Doch
haben sie einen großen Mund, eine abgestutzte Nase, breite Nasenlö-
cher, dicke Lippen, übrigens sehr weiße, schöne Zahne und merkwürdig
kleine Ohren. Die Frauen haben, wiewohl man sie gewöhnlich zu
sehr anpreist, vom mannbaren Alter an eine gewisse Zierlichkeit in ih-
ren Zügen, große offene Augen, eine zarte glatte Haut, schwarzes,
vielfach geordnetes Haar, einen schönen Busen; doch sind sie im Gan-
zen nicht wohlgebaut, haben wie die Männer einen großen Mund
und abgestumpfte Nasen, und sind untersetzt und dick. Die Bewoh-
ner des Mendoza- oder Mendana-Archipel und der Insel Rotumah *)
sollen unter den Ozeaniern am besten gebaut seyn, nach ifynen die
von Tahiti, von den Sandwich- und Freundschafts-Inseln; bei den
Frauen Neuseelands ist die Abnahme der Schönheit schon sehr merk-
lich, wahrend die Männer hier stärker und athletischer sind, als irgend
eine Völkerschaft derselben. Die Sprache der Ozeanier scheint sehr
einfach, und von Neuseeland bis zu den Sandwich-Inseln zeigt sich
rn Sprache und Sitten große Übereinstimmung. Immer finden wir
bei den Ozeaniern eine auffallende Übereinstimmung des religiösen
Glaubens, die Vergötterung der Seelen, die Verehrung gewisser Thie-
re und Pflanzen, die geistige Macht der Priester, die Wahrsager, die
Menschenopfer, Morais, Götzenbilder und den Menschenfraß, der aus
ihren Glaubensvorurtheilen entstand, der aber auf vielen Inseln ab-
gekommen ist. Unter ihnen hatten die Einwohner von Tahiti, den
Freundschafts- und Sandwich-Inseln schon vor der Ankunft der Eu-
ropäer die meisten Fortschritte in der Civilisation gemacht. Alle diese
in einer gewissen Staatsverfassung lebenden Völkerschaften bereiteten
feine Kleidungsstoffe und gröbere Tücher aus der Rinde und dem Va-
ste gewisser Baume. Alle Ozeanier bereiten ihre Lebensrnittel, indem
sie dieselben mittelst heißer Steine in Erdgruben kochen lassen; alle
bedienen sich der Blätter von Gewachsen zu ihren verschiedenen Be-
dürfnissen; alle bereiten aus der Frucht des Brodbaumes, dem Fleisch
der Kokusnuß und dem Taro Breigerichte; alle kennen das Getränke
Kava oder Ava, den Saft eines Pfefferbaumes, mit dem sie sich
berauschen. Vor Ankunft der Europäer waren die Ozeanier Sklaven
des furchtbaren Tabu-Aberglaubens, der ihnen eine Menge
Entbehrungen auferlegte und vielen tausend unschuldigen Menschen
das Leben kostete. Ohne Zweifel war der ursprüngliche Zweck dieser
Einrichtung, den Zorn der Gottheit dadurch zu versöhnen, daß man
sich eine gewisse freiwillige Entbehrung auferlegte, die im Verhältnisse
der Größe der Beleidigung stand, durch die man den Zorn der Gott-
*) Sic liegt nördlich von den Fidschi- und südlich von den Mulgraves-
Inseln.