1. Bd. 3
- S. 551
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Neuseeland.
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und Hacken versehen, gingen wir zu dem Orte und gruben eine tiefe
Grube, holten die halbgerösteten Stücke Fleisch aus dem Ofen, beer-
digten sie und eilten von diesem Orte des Schreckens hinweg. Allein
wir erfuhren spater, daß die Neuseeländer das Fleisch wieder herausge-
graben und alsdann verzehrt hatten." Ähnliche Ereignisse werden auch
von Andern erzählt, die sich lange Zeit in Neuseeland aufhielten, wor-
aus es scheint, daß die Menschenfresserei unter den Neuseeländern
nicht durch die Leidenschaft augenblicklicher Rache entstehe, sondern
innig verwebt sey mit dem Gemüthe des Volks, das zum Bessern
umzuwandeln, noch viele Generationen und große Ausdauer von Sei-
ten der Prediger des Evangeliums erfordern wird.
Noch müssen wir ein Beispiel von der schrecklichen Rachsucht und
Menschenfresserei der Neuseeländer erzählen, das sich früher ereignete.
Auf einem Englischen Schiffe, Namens die Bo yd, kommandirt von
Thompson, das 1809 von Sydney nach Neuseeland kam, war untec-
weges ein Neuseeländer, der Matrosendienste verrichtete und George
hieß, mehrmals zur Strafe gepeitscht worden. Diese Mißhandlungen
hatten in seiner Seele die Begierde nach Rache erzeugt, die er auf
fürchterliche Weise zu befriedigen wußte. Nachdem er nämlich in sein
Vaterland zurückgekommen war, hatte er durch seine Erzählung seine
Landsleute in die äußerste Wuth gebracht, so daß man einmüthiglich
beschloß, durch Vernichtung der ganzen Schiffsmannschaft blutige
Rache zu nehmen. Thompson, nicht berücksichtigend, daß Rachgierde
bei den Neuseeländern stets die vorherrschende Leidenschaft ist, erleich-
terte durch feine Unvorsichtigkeit den Wilden ihren Plan. Unklug
verließ er bei seiner Ankunft in Neuseeland, das Schiff und fuhr in
einem Boote mit einigen Matrosen ans Land. Kaum hatte er den
Fuß ans Land gesetzt, so sielen die Neuseeländer über ihn und seine
Gefährten her und zerschmetterten ihnen den Schädel, zogen sie nackt
aus und schmückten sich sogleich selbst mit den geraubten Kleidern.
In diesem Aufzuge die Boote besteigend, eilten sie dem Schiffe zu.
Hier begann augenblicklich das allgemeine Gemetzel, bei welchem auch
die Weiber und Kinder nicht verschont wurden, mit Ausnahme jedoch
von 4 Personen, denen es gelang in Schlupfwinkeln den Wilden
verborgen zu bleiben. Nicht weniger als 70 Europäer wurden ermor-
det. Hierauf begann eine zweite scheußliche Szene. Die Wilden
machten sich an die Leichname der Erschlagenen und befriedigten durch
Zerreißung derselben mit gräßlicher Gier ihre Rachsucht und ihren
nach solcher Speise lüsternen Magen. Die 4 dem Gemetzel glücklich
Entronnenen bestanden aus einem Weibe, 2 Kindern und dem Kajü-
tenburschen. Die 3 erstem waren in den Schlupfwinkeln unbemerkt
geblieben, bis der Grimm der Barbaren nachzulassen schien. Als sie
dann zum Vorschein kamen, hatten sie wirklich das Glück, nicht nur
beim Leben gelassen, sondern auch mit Milde behandelt zu werden.
Der^ Kajütenbursche hatte sich durch verschieden« Freundschaftsdienste