1834 -
Halle
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Selbstunterricht
- Geschlecht (WdK): koedukativ
459
Vi. West-Indien.
trieben wird und die Früchte seines Fleißes selbst genießt. Der
Sklave hier kann kein gültiges Zeugniß vor Gericht ablegen, ist
den grausamsten Strafen und Mißhandlungen ausgesetzt, und
selbst die Ermordung eines Sklaven wurde früher wenigstens kaum
als ein Verbrechen betrachtet. Die Kinder der Sklavin, wer
auch der Vater seyn möge, erben den Stand der Mutter. Wenig
oder nichts ist bis jetzt geschehen, um wenigstens den Sklavenkin-
dern eine menschliche Erziehung zu geben; in den englischen Be-
sitzungen sieht man sogar die Bemühungen der mährischen Brüder
und andrer Missionare höchst ungern, welche die Neger zu be-
kehren suchen; in den französischen und spanischen Colonicen da-
gegen wurden wenigstens alle Kinder getauft und die Sklaven ei-
nigermaßen mit dem Christenthum bekannt gemacht. In neuerer
Zeit, besonders seitdem die Einfuhr neuer Sklaven verboten, hat
sich manches zu ihren Gunsten gebessert; menschlichere Gesetze stra-
fen bei den Engländern die Tödtung eines Sklaven eben so wie
die eines Freien, schränken die willkührlichen Leibesstrafen ein und
begünstigen die Ehen unter den Schwarzen, die bis jetzt so selten
oder so wenig fruchtbar waren, daß man die Zahl der sterbenden
Neger immer durch neue Zufuhr aus Afrika ersetzen mußte. Die
Zahl der Sklaven verhält sich in einigen, vorzüglich in den eng-
lischen Besitzungen zu den Weißen fast wie 10 zu 1; es giebt Plan-
tagen-Besitzer, welche 5 bis 660 Sklaven haben. In allen Colo- v
nieen giebt es auch eine Anzahl freier Neger, welche die Freiheit
entweder geschenkt erhalten oder von ihren kleinen Ersparnissen er-
kauft haben und von Handwerken und kleinem Handel leben, auch
ihre Zahl beträgt jetzt über eine Million. Ihren Herren entlau-
fene Sklaven, welche dann in Gebirgen und Wädern ihre Zu-
flucht nehmen, werden Maronen-Neger genannt, und waren
schon oft , vorzüglich auf Jamaika, höchst gefährliche Feinde ih-
rer ehemaligen Herren. Endlich lebt jetzt auf Haiti eine ganz freie
farbige Bevölkerung, welche das Joch der Europäer abgeworfen
und einen regelmäßigen Staat gebildet hat. Die übrigen Farbi-
gen, hier wie überall Mulatten, Terzerons u. s. w. genannt,
theils Freie, theils Sklaven, machen einen sehr bedeutenden Theil
der Bevölkerung aus und könnten leicht bei ihrer Zahl, ihrem
Muthe und ihrer natürlichen Verbindung mit den Negern, mit
der Zeit allen europäischen Colonicen in Westindien gefährlich wer-
den. — Die Bevölkerung Westindiens ist theils in einigen bedeu-
tenden Seestädten zusammengedrängt, theils über die Oberfläche
der Inseln zerstreut, so daß jede Plantage mir dem oft sehr zier-
lichen Wohnhause des Pflanzers und den umherliegenden Wirth-
schaftsgcbäuden und Negerhütten, meist alle von Obstbäumen be-
schattet, einen schönen und mahlerischen Anblick gewähren. Dör-
fer hingegen im europäischen Sinne giebt es hier nicht.