1860 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Schuster, Ignaz, Bumüller, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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nur zunächst am Pole; darum wachsen auch viele Gewächse
bei uns im Hochgebirge, die man in den Polargegenden
auf ebener Erde findet.
Weil die beiden kalten Zonen bei weitem den kleinsten
Theil der Erdoberfläche einnehmen, ist der größte Theil
der Erdoberfläche bewohnbar. Indem der Schöpfer der
Erdare eine Neigung von 23^° gab, wollte er, daß die
Erde nur an den äußersten Polarenden mit ewigem Eise
bekleidet werde, der übrige Theil aber zum Wohnplatze
des Menschengeschlechtes tauge. Zugleich mit der Ab-
wechslung der Jahreszeiten ordnete er den Wechsel der
Tageslänge und verlieh längere Tage für die Gegenden, wo
der Sonnenstrahl schief auffällt und nur durch seine längere
Einwirkung beträchtliche Wärme hervorzubringen vermag.
Außerdem tritt bei dem Gange der Sonne von dem Wende-
kreise gegen den Aequator nicht alsbald die Nacht ein, sobald
die Sonnenscheibe unter den Horizont sinkt, wie wir auch
nicht sogleich mit Sonnenuntergang Nacht haben, sondern
auf den vollen Tag folgt die Dämmerung. Diese Dämme-
rung dauert nach der Sommersonnenwende für die Polar-
gegenden sehr lange, da sich die Sonne in sehr schiefer
Richtung von dem Horizonte entfernt und immer noch
Strahlen in der Atmosphäre gebrochen und auf die Erde
zurückgeworfen werden, so lange die Sonne nicht 18°
unter dem Horizonte steht; und da sich die Dämmerung
wieder einstellt, sobald die Sonne wieder 8° über den
Aequator heraufgekommen ist, so dauert die vollständige
Nacht in den noch bewohnten Polarländern nie einen
vollen Monat, abgesehen davon, daß sie von dem Monde,
den prächtigen Nordlichtern und dem Schnee erhellt
wird. Läge die Erdachse wagrecht, so wäre der eine
Theil der Erde, vom Aequator an, in ewige Nacht und
Kälte begraben, also für Menschen und Thiere unbe-
wohnbar; ja nicht einmal ein Moos oder eine Flechte
würde dort wachsen können, weil auch diese Pflanzen, die
so wenig Wärme bedürfen, doch ohne den belebenden
Sonnenstrahl nicht wachsen und keimen können. Der
andere Theil der Erde hingegen hätte unaufhörlich Tag;
auf den Pol fiele der senkrechte Sonnenstrahl, auf den
Aequator der schiefste; Abwechslung der Zonen und
Jahreszeiten wäre alsdann nicht möglich, denn das un-
aufhörliche Einwirken des Sonnenstrahls auf alle Punkte