1858 -
Breslau
: Hirt
- Autor: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Das Havelluch.
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4. Das Havclluch.
' Es beginnt bei Spandau und zieht sich über Nauen und
Friesack nach dem Rhinluche hin. Wo es mit diesem sich vereinigt,
liegt der Rest eines prächtigen Waldes, der dicht bis Spandau
reicht und noch jetzt einen der schönsten Laubwälder bildet, dessen
uralte Eichen, Buchen, Linden, Birken, Erlen, Rüstern und auch Kie-
fern auf fettem Boden Bewunderung erregen.
Das Havelluch ist fast 10 Meilen lang und zieht sich in vew
schiedener Breite nach der Havel hin. Es wird von der Eisenbahn
durchschnitten, die von Berlin nach Hamburg führt. Es hat
wenig Torf und ist jetzt theils in Ackerland, theils in Wiesen und
Hutung umgeschaffen. Dies ist erst seit dem Könige Friedrich
Wilhelm I. geschehen. Vorher war es ein vom Wasser durch-
drungenes Moorland mit dünner Rasendecke; zwischen demselben
traten inselartig höhere Stellen, Horste genannt, mit Gebüsch und
Wald hervor. Im Frühjahr aber waren auch diese überschwemmt,
und so bot das ganze Luch eine einzige Wasserstäche dar. Das Vieh
fand an den Rändern selbst im Sommer nur spärliche Weide und
blieb oft im Moraste stecken. Wilde Thiere aber bewohnten die
Wildniß, und unsere Vorfahren erzählen von Bären, Wölfen und
Luchsen, Sumpf- und Waffervvgeln, Schildkröten und Schlangen, die
hier ungestört im Urwalde hausen konnten. Nur ein Weg führte
mittelst Dämmen und Fähren von Nauen nach dem Bell in und
durch, das Rhinluch nach dem Ruppiner Lande. Im Jahre 1718
begann König Friedrich Wihelm I. die Entwässerung und ver-
mehrte die Zahl der Arbeiter sogar durch Soldaten. Ein großer,
schiffbarer Hauptkanal und unzählige große und kleine Abzugsgräben,
zusammen über 17 Meilen lang, wurden durch das Luch gezogen und
Dämme schlossen größere und kleinere Flächen ein zum Schutz vor
Ueberschwemmung oder als Wege nach den Grundstücken und durch
das Luch. Gleich im Frühjahre 1718 wurde auch mitten in der
Niederung das königliche'domänenamt Königshorst angelegt und
daselbst eine Musterwirthschast für Butter- und Käsebereitung einge-
richtet, wozu der König Kühe aus Ostfjsiesland und Meier aus der
Herrschaft Cleve kommen ließ. Später wurden Bauerntöchter aus
den kurmärkischen Aemtern hierher geschickt, um in der Milchwirth-
schaft unterrichtet zu werden, und wer sich geschickt und tüchtig zeigte,
kehrte mit 100 Thalern Brautschatz heim und lehrte dann in der
Heimath die vortheilhaftere Benutzung der Milch. Viele andere
Vorwerke und Gehöfte entstanden bald im Luch, und wir erfreuen
uns jetzt durch den Anblick der grünen Wiesen, Weiden und Aecker,
der zahlreichen schönen Rinder-, Schaf- und Schweineheerden. Die
Dämme und Gräbenufer sind mit Bäumen aller Art bepflanzt,
Waldstriche bieten freundliche Abwechselung, und kleine Flußfahrzeuge
beleben die größeren Wasserleitungen. Die frischen Laubwälder locken