1858 -
Breslau
: Hirt
- Autor: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
20
Bücke in die Vergangenheit Brandenburgs.
erhaltenen Kirchen waren verschlossen, dem Sterbenden wurde das
heilige Abendmahl versagt; mitten im Elend dieses Lebens wurden
die so schrecklich Heimgesuchten auch aus der Kirche des Herrn aus-
gestoßen, mußten leben und dahinsterben ohne Trost und Erquickung
durch himmlische Speise.
4. Der falsche Waldemar.
Als der Frühling kam des Jahres 1348 — Markgraf Ludwig
war im schönen Lande Tyrol, wo er auf den Bergen die Gemsen
zu jagen liebte — erschien zu Wolmirstädt vor der Burg des Erz-
bischofs von Magdeburg ein Pilgersmann und ließ sagen, daß er
dem Erzbischöfe etwas Wichtiges mitzutheilen habe. Der Erzbischof
aber saß gerade mit vielen Gästen zu Tische, denn er feierte ein Fest.
Da die Diener dem Pilger das sagten, sprach er: „Könnt ihr mich
nicht zu eurem Herrn führen, so bittet für mich um einen Becher
Weins." Als sie den Trank brachten, that der Pilger einen kräfti-
gen Zug aus dem Becher, ließ dann einen Siegelring mit fürstlichem
Wappen hineinfallen und bat, daß man den Becher dem Erzbischof
bringe. Der hatte kaum den Ring gesehen, als er rief: „Das ist
Markgraf Waldemar's Ring!" — Deß verwunderten sich die Gäste
über die Maßen; aber der Erzbischof ließ den Pilgersmann in das
Zimmer führen und forschte von ihm, wer er wäre. Der war nicht
befangen, wie sonst wohl Pilgersleute sind in vornehmer Gesellschaft;
sein Auge ließ er ruhig über die Versammlung schweifen, und obgleich
sein Haar schon ergrauet war, trat er doch fest und sicher auf. End-
lich sprach er: „Ich bin Markgraf Waldemar. Sie haben vor 29
Jahren einen andern Mann statt meiner begraben. Um eine Sünde
abzubüßen, zog ich in das heilige Land. Nun aber ist die Kunde zu mir
gedrungen, daß mein Land unter fremden Herrschern im Unglück seufze,
und ich bin wieder heimgekommen, daß ich meines Volkes Leiden mil-
dere." Das war eine wunderliche Rede, aber sie fand Glauben. Der
Pilgersmann glich an Gestalt und Angesicht dem alten Markgrafen;
auch hatte er eine Narbe an der Stirn, wie Waldemar sie gehabt.
Der Erzbischof von Magdeburg und viele Fürsten fielen dem Manne
zu. Als er in die Mark zog, entstand großer Jubel; die Bürger
holten ihn festlich in ihre Städte und wußten kaum, wie sie ihn ehren
sollten. Da stand es schlimm um die Herrschaft des Baiern in
Brandenburg. Nur drei Städte blieben ihm treu; das waren Frank-
furt, Spandau und Brietzen. Sie schlossen ihre Thore zu und ließen
die baierischen Fahnen von ihren Mauern wehen. Britzen hielt sogar
einen Sturm aus und schlug das Kriegsvolk Waldemar's zurück.
Dafür gab Markgraf Ludwig der Stadt den Namen „Treuenbrietzen,"
wie sie heißt bis auf den heutigen Tag.
Die Baiern behaupteten, daß der Pilgersmann ein Betrüger sei.
Kaiser Karl Iv., dem man die Sache vorlegte, entschied zuerst, er
sei wirklich der ächte Waldemar, und bald darauf wieder, er sei es