1860 -
Hannover
: Pockwitz
- Autor: Ulrici, C. W.
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Quadrat-Meilen. Beide sind Reste eines Meeres, welches einst das Weiße Meer
mit dem Finnischen Busen verband. — Die ganze Ostseeküste hat das Eigenthüm-
liche, mit einer Unzahl größerer und kleinerer Seen besetzt zu sein, die von Sw.
gegen No. an Größe zunehmen; in Finnland liegt diese Seeplatte am höchsten über
dem Meere und senkt sich zum Bottnischen, zum Finnischen Busen und bis zum
Ladogasee. Kleine Gebirgszüge bis zu 1200' stehen ohne Zusammenhang über der
finnischen Seeplatte, auf der Blöcke von Granit, Gneiß und Glimmerschiefer wild
umhergeworfen sind.
Das Nördliche Eismeer greift mit dem Busendes Weißen Meeres in das
Land. In diesen ergießt sich die Dwina, deren Queuflüsse am Rande des nördlichen
Landrückens entstehen. Sie ist fast von der Quelle an schiffbar und bildet bei ihrer
Mündung einen Li man (so nennt man eine erweiterte Flußmündung, der kleine
Inseln vorgelagert sind, die aber doch nicht haffartig vom Meere geschieden ist).
Vom Ural strömt in das Eismeer die Petschora.
Zum Kaspisee strömt außer dem Ural die Wolga, d. h. die Große,
Europa's größter Strom. Ihr Stromgebiet beträgt 30,000 Quadrat-Meilen. Ihre
Quelle ist auf dem Waldaigebirge, 50 Meilen von der Ostsee und fast 200 Meilen
vom Kaspisee. Sie durchbricht den südlichen Landrücken, tritt dann in die salzige
kaspische Steppe und bilvet ein Delta von mehr als 60 Mündungen. Mit Recht
nennen die Tataren die Wolga die freigebige, denn sie ist vielleicht der fischreichste
Strom der Welt (Caviar, Hausenblase). Der größte Nebenfluß links ist die Kama,
der größte rechts die Okcn Ein Seitenfluß der Oka ist die Moskwa. An ihr
bei Moshaisk und Borodino war 1812 ein blutiger Sieg der Franzosen über
die Russen.
Zum Schwarzen Meere geht der Don, bei den Alten Tanais. Bei dem
Durchbruch des südlichen Rückens nähert er sich der Wolga auf 8 Meilen, biegt sich
dann nach Sw. und bildet einen großen Strandsee, das Meer von Asow, das
aber nur für kleinere Seeschiffe Wasser genug hat und täglich seichter wird. Vor-
gelagert ist demselben die dreieckige Halbinsel Krim, auch wohl nach dem alten
Namen Taürien genannt. Eine nach O. laufende Landzunge derselben bildet mit
dem Continent die Meerenge von Kaffa oder Feodosia, meistens Kertsch oder
Jenikale genannt. Der Dnjepa: entsteht am südlichen Hange des nördlichen
Rückens, durchbricht unterhalb Kiew zwischen steilen Ufern mit Fällen und Strom-
schnellen den südlichen Zug und bildet einen seichten Li man. Unter seinen Zuflüssen
ist nicht der größte, aber der berühmteste die Beresina, die an den grauenvollen
Uebergang der flüchtigen Franzosen im Winter 1812 erinnert. In den Liman des
Dnjepr ergießt sich vom südlichen Landrücken der Bog. — Der Dnjestr bildet in
seinem Oberlaufe ein Querthal des karpathischen Waldgebirges, fließt dann auf dem
breiten Rücken des südlichen Zuges und stürzt in Slromschwellen in das Tiefland.
Alle drei genannten Ströme durchfluthen ,auf ihrem Unterlaufe die ungeheuren
Steppen, die sich am Schwarzen Meere ausdehnen.
Fast zwischen allen großen Stromgebieten des Tieflandes und somit zwischen
allen dasselbe bespülenden Meeren besteht Canalverbindung.
48 Die Dstfce.
Die Ostsee oder das baltische Meer hängt durch den Sund, den großen
und kleinen Belt und den Eiderkanal mit der Nordsee zusammen und bildet
ein Glied des atlantischen Oceans. Sie umfaßt mit Einschluß ihrer Busen einen
Flächenraum von fast 8000 Quadrat-Meilen und empfängt die Gewässer von einem
sechsmal größeren Stromgebiet als das der Nordsee ist, und nimmt inehr als 260
zum Theil sehr bedeutende wasserreiche Flüsse auf, woher es auch kommt, daß sie eine
so verringerte Salzigkeit hat, daß ihr Wasser beinahe trinkbar ist, was mit dem
Wasser der Nordsee nicht der Fall ist. Die Ostsee erstreckt sich von der deutschen
Küste bis in die Länder hinein,, in denen das Getreide nicht mehr reift, weshalb auch
der nördliche Theil derselben alljährllch an den Küsten mit Eis bedeckt ist; dies findet
namentlich beim bothnischen Meerbusen, welcher fast bis zum nördlichen Polar-
kreise reicht, und beim finnischen Meerbusen, der unter dem 60sten Parallel-
kreiie liegt, statt. Zu manchen Zeiten gefriert die See mehr oder weniger, doch ist
das eine seltene Erscheinung.
Eine andere Eigenthümlichkeit der Ostlee ist das unregelmäßige Steigen ihres
Wassers zu einer Höhe von 3 Fuß und darüber über den gewöhnlichen Wasserstand.
Ulrict. Die Erde. (3. Aufl.) s