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1. Europa - S. 118

1860 - Hannover : Pockwitz
118 Sollen wir Mütter an unsern Brüsten Bettler säugen und den Ausländern leibeigene Mägde erziehen? Das sei ferne!" Darauf ging schweigend der Werner Stauffacher hinab zum Orte Brunnen am See und fuhr über das Wasser nach Uri zum Walther Fürst in Attinghausen. Bei demselben fand er verborgen den Heinrich von Melchthal, welcher vor dem Grimm deß Landenberg über das Gebirg entwichen war. Und sie redeten von der Noth deß Landes und dem Gräuel der ausländischen Dögte. Auch gedachten sie, wie sie gegen die Bosheit der Vögte vergebens geklagt hätten vor dem Könige. Sie meinten, der Tod sei viel leichter, als so schmähliches Joch. Darum beschlossen sie, jeder solle in seinem Lande mit vertrauten, herzhaften Männern sprechen und erforschen, weß Sinnes daß Volk sei. Nach diesem kamen sie oft in verabredeten nächtlichen Stunden zusammen an einem heimlichen Orte am See. Der lag fast mitten inne zwischen Uri, Unterwalden und Schwyz, auf einer schmalen, umbüschten Wiese, am Fuße der Felsen desseelis- berges, gegenüber dem D.örflein Brunnen. Man heißt ihn vom ausgerotteten Ge- strüpp das Rütli; da waren sie von Menschen und Wohnungen weit. ' Bald brachte jeglicher frohe Botschaft mit: allem Volke sei viel leichter der Tod, als das schmäh- liche Joch. Wie sie aber im Herbste des Jahres 1307 zusammenkamen, und jeder von den Dreien mit sich zur Matte auf Rütli zehn treue Ehrenmänner geführt hatte, ent- schlossen, die alte Landesfreiheit über alles, das Leben für nichts zu achten, erhoben die frommen Drei ihre Hände zum gestirnten Himmel und schwuren zu Gott dem Herrn: in Treue für die Rechte des unschuldigen Volkes zu leben und zu sterben, alles gemeinschaftlich, nichts eigenmächtig zu wagen und zu tragen, kein Unrecht zu dulden, aber auch kein Unrecht zu thun, des Grafen von Habsburg Recht und Eigenthum zu ehren und keinem der Königsvögte Uebles zuzufügen, aber auch den Vögten zu wehren, daß Land zu verderben. Und die dreißig andern streckten die Hände auf und thaten den Eid, wie jene, zu Gott, die Freiheit mannhaft zu behaupten. Und sie wählten die Neujahrsnacht zum Werk. Dann gingen sie aus einander, jeder in sein Thal zu seiner Hütte und winterten das Vieh. Dem Vogt Hermann Geßler ward nicht wohl, denn er hatte ein böses Gewissen. Es dünkte ihn, als wenn das Volk muthiger einherginge und trotziger aussehe. Darum ließ er den herzoglichen Hut von Oesterreich erhöhen auf einer Stange in Uri, und befahl, wer vorübergehe, solle demselben Ehrerbietung erweisen. Daran wollte er erkennen, wer wider Oesterreich sei. Und Wilhelm Teil, der Schütz aus Bürgten, einer von den Männern auf dem Rütli, ging vorüber; aber er beugte sich nicht. Alsbald führten sie ihn gefangen zum Vogt, und dieser sprach ergrimmt: „Trotziger Schütze, so strafe dich deine eigene Kunst. Einen Apfel lege ich auf das Haupt deines Sohnleins, den schieße herab und fehle nicht!" Und sie banden das Kind und legten auf das Haupt desselben einen Apfel und führten den Schützen weit davon. Er zielte. Da schwirrte die Bogensehne. Da brach der Pfeil den Apfel. Alles Volk jauchzte freudig. Geßler aber fragte den Schutzen: „Wozu trägst du noch den andern Pfeil bei dir?" Es antwortete Tell: „Hätte der erste nicht den Apfel getroffen, dann gewiß der andere dein Herz!" Deß erschrak der Vogt und ließ den Schützen greifen und auf ein Schiff führen nach Küßnacht, wohin er selbst zu fahren gedachte. Denn den Tell im Lande Uri einzukerkern, schien wegen des Volkes nicht rathsam; ihn aber in ausländische Ge- fangenschaft zu schleppen, war wider des Landes Rechtsame. Darum fürchtete der Vogt Zusammenlauf des Volkes und fuhr schleunig ab, wiewohl der warme Föhn- wind blies. Der See ging hohl, und die Wellen schlugen schäumend über, daß allen bange ward und die Schiffsleute verzagten. Je weiter im See, je größer in Todes- noth; denn da steigen Uferberge jäh aus dem Abgrund des Gewässers wie Mauern zum Himmel. In schwerer Angst ließ Geßler dem Tell die Fesseln abthun, damit derselbe, als guter Schiffer, das Fahrzeug lenke. Aber der Tell lenkte gegen die kahle Wand des Gebirges, wo eine nackte Felsplatte wenige Schritte weit in den See hervortritt. Schwung und Sprung; — der Tell hinaus auf die Platte, daß Schiff hinaus auf den See. Run kletterte der Erlöste den Berg hinauf und floh durch das Land Schwyz. Und er dachte in seinem bekümmerten Herzen: „Wohin entfliehen dem Zorne des Gewaltherrn? Und entrinne ich seiner Bosheit, so hat er in der Heimath mein Weib und Kind zum Pfand. Was wird nicht der Geßler gegen die Meinigen verhängen.
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