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1. Europa - S. 237

1860 - Hannover : Pockwitz
237 Helden und Weise sind hier versammelt und herrschen mit gleicher Macht in ihrem eigenen freien Geisterreiche. Zeit, Raum und Rang — Alles was sie hier auf Erden trennte, ist verschwunden; alle irdischen Schranken sind gefallen, und die entfesselten Seelen begegnen sich und werden Eins im Elemente der Wahrheit und Schönheit. Ein und derselbe Strahl göttlichen Lichtes durchleuchtet die Züge dieser verschiedenen Köpfe. Wir fühlen uns nicht fremd hier, sondern unter theueren Freunden und Wohlthätern, in der rechten Heimath, in deren Luft die Seele frei athmet und ihre Flügel entfaltet. Zwischen den Büsten erheben sich, aus weißem carrarischen Marmor gebildet, die himmlischen Gestalten der Walkyren, weiche die Edeln in der Walhalla bewill- kommnen und ihnen deutsche Eichenkränze reichen. Marmorne Sessel und Kande- laber sind ringsum im weiten Saale vertheilt. Wir treten durch das hohe Mar- morthor wieder in's Freie und betrachten nun auch noch die Vorderseite des schönen Gebäudes, das hocherhaben auf seinen cyklopischen Mauern, weißglänzend im tief- blauen Himmel vor unseren Augen leuchtet, dann die Statuengrüppe des südlichen Giebelfeldes: Germania, umgeben von den Repräsentanten der vom französischen Joche befreiten Völker, Rauch's und Schwanthaler's Werk, das wie eine Mahnung zu ewiger Dankbarkeit und ewiger Vorsicht, weithin den Blicken sichtbar, diesen Tempel deutschen Ruhmes überragt. Nur mit Mühe trennen wir uns von diesem Prachtbaue, aber nicht ohne ein stolzes Gefühl, das uns zuruft: „Auch du bist ein Deutscher! Auch dir gehören jene Großen in der Halle!" 166. Das Königreich Würtemberg. Obgleich nur ein kleines Königreich, hat Würtemberg doch vieles Merkwürdige. Es ist der rechte Sitz der Schwaben, welche einst einen Hauptstamm unter den deutschen Völkern ausmachten. Das Volk ist treu, herzlich, dabei fleißig und zu vielerlei Geschäften tüchtig. Das Sprüchwort, daß ein Schwabe erst mit 40 Jahren verständig werbe, ist wohl nur insofern wahr, als die Schwaben aus allzugroßer Treuherzigkeit sich, so lange sie jung sind, leichter bethören lassen und erst nach ge- machten Erfahrungen vorsichtiger werden. Freilich hat die würtembergische Regie- rung jetzt auch viel für die bessere Bildung des Volkes gethan, und es finden sich nur noch Wenige, welche nicht hinreichend im Lesen, Schreiben und Rechnen, sowie in der Religion unterrichtet sind. Eben so haben die Gelehrtenschulen und die Uni- versität Tübingen viel geleistet, so daß Würtemberg unter die gebildetsten Länder Deutschlands gerechnet wird. Auf den 360 Q.-M., welche das Land beträgt, und welche viel Gebirgsland enthalten, wohnen 1,700,000 Menschen, also auf 1 Q.-M. fast 5600. Da muß fleißig gearbeitet sein, wenn Jeder sein Brod finden will. Das thun denn auch wirklich die Würtemberger; Viele aber wandern auch aus und suchen sich in der Ferne eine neue Heimath, oder treiben auswärts Handel, wie die schwarzwälder Uhrmacher. Dabei behalten sie jedoch immer große Anhänglichkeit an ihre Heimath und verlieren niemals ihre schwäbische Mundart, welche zwar breit, aber zugleich sehr gutmüthig klingt. ^ Die Hauptstadt des Landes ist Stuttgart in einem nach dem Neckar zu gehenden Thale, welches mit Reben und Obstbäumen reich bepflanzt ist. Ihre Einwohnerzahl ist auf 50,000 angewachsen, so daß man es jetzt zu den großen Städten zählen kann, in welchen ansehnliche Gebäude, Kunst- und Naturaliensamm- lungen, Theater und andere Vergnügungsanstalten nicht fehlen. Von allgemeinem Interesse für jeden Deutschen ist das dem aus Würtemberg gebürtigen großen Dichter Schiller errichtete Denkmal. Er allein würde sein Vaterland allenthalben berühmt machen, darum wäre es undankbar gewesen, wenn man sein Andenken in der Hauptstadt von Schwaben nicht geehrt hätte. 2 Meilen im N. von Stuttgart liegt die im 18. Jahrhundert angelegte zweite Residenz, das regelmäßig und schön gebaute Ludwigsburg (10,000 E.). Am Neckar liegt die Landesuniversität Tübingen (10,000 E.). Cannstadt (7000 E.) ist eine Handelsstadt, in einer überaus bevölkerten Gegend. In Marbach ist Schiller 1759 geboren. Tief im Schwarzwalde zieht das Wild bad mit heißer Quelle viele Fremde heran. Zu den merkwürdigen Orten Würtembergs gehört noch das Städtchen Weinsberg, von dessen Weibern ein berühmtes Beispiel der Treue erzählt wird. Als nämlich der deutsche Kaiser die Stadt, welche sich zu seinen Feinden gehalten hatte, belagerte,
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