1865 -
Glogau
: Flemming
- Autor: Kriebitzsch, Karl Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
31
führen das Schwert, die Andern die Feder u. s. w. Der Weg zum
Ziele ist länger und schwerer bei dem Einen als bei dem Andern. Die
aber, welche einmal Aerzte oder Richter oder Pfarrer oder Lehrer an
hohen Schulen werden wollen, die müssen selber erst als Schüler in solch
einer Schule, einem Gymnasium, viele Jahre fleißig lernen; und haben
sie hier das Ziel erreicht, so gehen sie aus eine Universität und wer-
den Studenten, und treiben hier das Werk weiter, bis sie fähig und
tüchtig geworden sind, ein Amt zu bekleiden in genannter Weise; da sagt
man denn von ihnen: sie haben studirt. Solch' eine Universität nun ist
in Halle; es ist dazu mitten in der Stadt ein schönes, großes Haus
gebaut, darin versammeln sich die Jünglinge in großen Sälen und hören
die Vorträge der Lehrer, der Professoren. Die Universität hat durch
ihre Lehrer seit alten Zeiten einen großen Ruhm. — Ein anderes großes
und schönes Gebäude und ein nicht geringerer Ruhm der Stadt ist daß
Waisenhaus in der Vorstadt Glaucha. Das ist von einem frommen
Pastor August Hermann Francke erbaut. Es erbarmte ihn der armen
Kinder der armen Leute und der Waisen, daß sie so ohne Zucht und Lehre
und Liebe aufwuchsen, und so gab er denen, die je an einem Tage der
Woche zu ihm kamen und bettelten, nicht blos etwas an Brod und Geld,
sondern lehrte sie auch einen Spruch oder Vers und hielt darüber mit
ihnen ein Gespräch, schenkte auch den Eltern ein Schulgeld, daß sie ihre
Kinder in die Schule schicken könnten. Aber das war ihm nicht genug,
half auch wenig, er wollte gern mehr thun. Nun hatte er aber selber
wenig, und seine Mittel reichten nicht aus, mit Vielem zu helfen. Da-
rum hängte er in seiner Stube eine Büchse aus mit der Ueberschrift:
1. Joh. 3 ,17: Wenn aber Jemand dieser Welt Güter hat und sieht sei-
nen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibet die
Liebe Gottes bei ihm? und mit der Unterschrift: 2. Cor. 9, 7: Ein jeg-
licher nach seiner Willkür, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn
einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Und wer dann zu ihm kam, der
that ein Stück Geld hinein, viel oder wenig, nachdem er's hatte oder das
Herz ihn trieb. Da fand er einmal sieben Gulden in der Büchse; da
rief er frohlockend aus: Das ist ein ehrlich Kapital, davon muß man
etwas Rechtes stiften; ich will eine Armenschule damit anfangen. Und
so ist, zwar unter beständiger Bedrängniß, aber auch unter hundertfachen wun-
derbaren Beweisen göttlicher Hülfe und Erhörung gläubigen Gebetes das
Waisenhaus erbaut worden, und bald kam dazu die Freischule, dann das
Pädagogium, die Bürgerschule, die lateinische Schule, die Realschule, es
wurde eine besondere Waisenhausbuchhandlung und Apotheke gestiftet, ein
frommer, tüchtiger Arzt berufen und eine Bibeldruckerei mit der Anstalt
verbunden, die ein andrer frommer und begüterter Mann und Francke'ö
Freund gegründet, Namens von Canstein. So großer Segen ist über
die Stadt und das Land gekommen durch Eines Mannes, eines armen,
aber frommen Mannes Sorge und Liebe und Gebet und Arbeit. Das
Gebäude, auf einem freien Platze gelegen, hat in der Front 3 Stock, 15
Fenster in einer Reihe, über dem Eingang ist die Inschrift zu lesen:
Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit