1865 -
Glogau
: Flemming
- Autor: Kriebitzsch, Karl Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Ausfuhrartikel sind Getreide, Flachs, Pferde, Rindvieh, Fische, besonders
aber, und seit uralten Zeiten, Bernstein.
5. Der Bernstein ist das sehr dünnflüssige, aber schnell hart
werdende Harz eines Baumes, der in der Urzeit der Erde auf ihr wuchs,
heutzutage aber nirgends mehr gefunden wird. Man schließt das aus
den Ueberresten von Thieren und Pflanzen, die man oft in dem Bern-
stein gefunden hat. Vor vielen, vielen tausend Jahren sind nämlich
durch ungeheure Ueberschwemmungen ganze Welten von Schöpfungen der
Erde zu Grunde gegangen, Länder, Wälder, Thiere und Steine. Die
Gesteinarten findet man noch in der Tiefe der Erde, Ueberreste von
Thieren als Versteinerungen, von Bäumen und Pflanzen als Braun-
kohlen. In jener Zeit sind nun auch die Bernsteinbäume mit dem Bern-
stein in die Erde gekommen, der in flüssigem Zustande Theile von Pflanzen
und Thieren, Ameisen, kleinen Käfern, Spinnen, Fliegen rc. aufgenommen
und, nachdem er erkaltet war, eingeschlossen. Und so findet er sich denn
noch heute theils in der Tiefe der Erde, theils an der Küste des Meeres,
das ihn bei stürmischem Wetter an den Strand wirft. Man gewinnt ihn
auf dreifache Weise, durch Fischen, Stechen und Graben. Bei stürmischem
Wetter wirft das Meer große Bündel Seegras (Seetang) ans Land,
worin größere und kleinere Stücke gelben Bernsteins liegen. Da stellen
sich denn die Leute mit Netzen an die Küste, die sie an langen Stangen
der heranrollenden Woge entgegenhalten, so daß Seetang und Bernstein J
hineinfallen. Dann schütten sie die Netze aus und Weiber und Kinder
suchen den Bernstein heraus. Bei ruhigem Wetter und stiller, bis auf
den Grund durchsichtiger See fährt man auf Booten aus, erspäht die
größeren, in der Tiefe liegenden Steine, schiebt diese mit langen eisernen
Haken bei Seite und streift große Drahtnetze auf dem Boden des Meeres
hin, die dann den gewöhnlich unter den Steinen liegenden Bernstein
fassen. In der Nähe von Braunkohlenlagern findet man ihn auch in
einer feinen, mit blauem Thon durchzogenen Erde, und da gräbt man
ihn heraus, was aber eine sehr mühsame Arbeit ist, da sich über dem
Bernsteinlager oft Grundwasser befindet, was nun immer abgeleitet und
fortgetragen werden muß, ehe man an das Graben gehen kann. Dies
geschieht mit eisernen Haken, die man in den Boden stößt; die gefundenen
Stücke werden vorsichtig herausgehoben und in nasse Tücher geschlagen,
damit sie nicht an der Luft zerspringen. — Man findet den Bernstein
an der Küste von Pommern und in Preußen von Danzig bis Pillau,
und hier in Pillau im Samland am meisten. Daher heißt denn auch
die Küste dieser Halbinsel die B ernste in kü sie. Gestochen wird er fast
nur bei dem Dorfe Brüsterort, das an der Nordspitze der Halbinsel
liegt. Die Bernsteingräber müssen der Regierung einen Pacht zahlen.
Verarbeitet wird der Bernstein auf sehr verschiedene Weise. Aus den
größeren Stücken macht man Perlen, die je nach ihrer Größe, Farbe
unv Klarheit von verschiedenem Werthe sind, Korallen, Armbänder, Dosen,
Crucifixe, Rosenkränze, Knöpfe u. s. w. Zu Pfeifenspitzen wird der
Bernstein besonders im Morgenlande von den Muhamedanern gebraucht,
die das Tabakrauchen über Alles lieben. In China wird er kleingestoßen