1842 -
Zwickau
: Zückler
- Autor: Döhner, Gotth. Ferd.
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
321
Nun später durch besseren Schulunterricht jenes Bedürf-
niß weniger dringend ward: fuhren doch die meisten
lutherischen Geistlichen fort, in ihren Predigten nicht
nur mit Bekämpfung katholischer Lehre, sondern auch
mit Schmähungen der Reformirten, ja mit Widerle-
gung abweichender Meinungen ihrer eignen Glaubens-
genossen vorzüglich sich zu beschäftigen, wobei sie sich
haüfig einer so unverständlichen Sprache bedienten,
daß der gemeine Mann sogar zu dem Glauben sich
verleitet sah, eine Predigt sei um so besser, je mehr
unbegreifliche, wohl gar lateinische Redensarten in der-
selben vorkamen. Am traurigsten war es, daß hierbei
die Mahnungen und Anweisungen zu einem christlich
frommen Leben gar haüfig ganz vergessen wurden.
Gegen diese Mißbraüche erhob sich in der zweiten Hälfte
des siebzehnten Jahrhunderts der Dresdner Oherbof-
prediger Jacob Spener, dessen faßliche und auf thati-
geö Chriftenthum hinarbertende Predigten den Beifall
aller derer fanden, welche sich bei der oben beschriebe-
nen Lehrweise nicht befriedigt fühlten. Auf dem von
Spener betretenen Wege ging besonders der Pfarrer
August Herrmann Franke in, Halle fort, von dessen
aufopfernder Menschenliebe, von dessen inniger Fröm-
migkeit, von dessen fröhlichem Gottvertrauen noch jetzt
die aus Pfenniggaben entstandenen Fränkischen Stif-
tungen in jener Stadt ein redender Beweis sind. Hier
eben ward Graf Zinzendorf, dessen Herz sich von frühe-
ster Jugend an zu Gort neigte, erzogen. Fortan trieb
es ihn, thätig zu sein in des Heilands Namen; und
als er eine bildliche Darstellung des leidenden Christuö
erblickte; als es wie des Herren Ruf in seiner Seele
erklang: So viel habe ich für dich getbani Wie
viel denn du für mich und deine Brüder? — da ent-
sagte er allen Ansprüchen auf hohe einflußreiche Stel-
len, zu welchen ihn seine Familienverhältniffe wohl
geführt haben würden; er entsagte allem Glanze der
Welt, um als Prediger für die Beförderung eines
thätigen Christenthums zu wirken. Die Flucht einiger
hundert böhmischer Protestanten, welche vor der, Be-
drückung, der sie in Böhmen ausgesetzt waren, Schuh
in Sachsen suchten, war ihm eine willkommene Gele-
genheit zur Ausführung feiner Absichten. Er erlaubte
21