1856 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menges, Heinrich, Menzel, J.
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
181
uns der Dampfwagen nach Breslau. Kofel, die Festung,—
Oppeln, die Regierungsstadt, (beide an der Oder gelegen) liegen
bald hinter uns. Bei der Mündung der Glatzer Neiße, die von
den Festungen Glatz und Neiße herkommt, erreichen wir Mittel-
schlesien, den Breslauer Bezirk. Die Felder bei Mollwitz, wo
Friedrich der Große seinen ersten Sieg errang, werden rasch durch-
schnitten, und bald sind wir am Ende der oberschlesischen Eisen-
bahn, in Schlesiens Hauptstadt. Auf schönen Plätzen stehen hier
Denkmäler: die Bildsäule Blüchers auf dem einen; auf dem Markte
die des alten Fritz, der hier nach dem ersten schlesischen Kriege
Frieden mit Oesterreich schloß. Aus den engen, geräuschvollen
Straßen mit den altertümlichen Häusern und hohen Kirchen gehen
wir hinauf auf den Wall der alten Stadt, welcher zu Spazier-
gängen eingerichtet ist. Wir erreichen eine Höhe und begrüßen
die Over von Neuem. Zur Seite aber liegt die Stadt unter uns,
und wir merken wohl an dem Gebrause und Gesumse, was her-
auftönt, daß auf diesem Fleck der Erde über 120,000 Menschen
zusammen sind. Ist es aber Abend, und du stehst hier oben, so
hörst du über dem weltlichen Getöne unter dir die Abendglocken
der sehr zahlreichen Kirchen, des gewaltigen Doms zumal, durch
die Lüfte erklingen. Den Strom siehst du bedeckt mit vielen, vie-
len Feuern. Die sind auf Flößen, und an ihnen bereitet der arme
Pole, der sie von Oberschlesien heruntergebracht hat, sein kärgli-
ches Mahl. Morgen flößt er sie weiter, durch Breslau hindurch.
Nur die Theile Schlesiens sind gebirgig, welche nach Oester-
reich zu liegen. Wer das nicht wüßte, doch aber von schlesischen
Bergen gehört hätte, würde sich wundern, so wenig von ihnen zu
sehen, wenn er auf der Oder weiterfährt. Hier und da guckt
wohl eine blaue Kuppe über das linke Ufer herauf (so über das
Schlachtfeld von L euthen der Zobtenberg); auch treten weiter-
hin an den Lauf der Oder in Niederschlesien (dem Regierungs-
bezirk Liegnitz) Höhenzüge heran; — aber im Allgemeinen ist.das
Land immerfort flach. Das sieht man an dem nicht tief liegenden
Flußbett. Wollten wir freilich an den von links kommenden Ne-
benflüssen der Oder, wie an der Katzbach und dem Bober, von
der Mündung bis zur Quelle hinaufgehen, so würden wir Gebirge
genug finden. Und daß Gebirgsflüsse ein ganz anderes Aussehen
haben als unsere märkischen, könnten wir da auch sehen. Sie flie-
ßen schnell und reißend. Ihre Ufer sind steil, wovon die Fran-
zosen am 26. August 1813 zu erzählen wußten. Auf dem Grunde
liegen Kieselsteine, kleine, die als Sand gelten können, aber auch
große, hoch wie ein Haus. Häufig wechselt der Wasserstand. Am
Morgen noch fließt sparsam in einzelnen Rinnen das Wasser über
die Steine hinweg. Hat es aber im Laufe des Tages in den
Bergen gewittert, so wird in kurzer Zeit das ganze Flußbett mit