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1856 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menges, Heinrich, Menzel, J.
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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42. Gottes Strafgericht in Rußland.
Napoleon hatte fast alle Fürsten und Völker Europas be-
zwungen, und schwer lastetete seine Hand auf den besiegten Län-
dern. Seine Heere standen in Spanien; Italien war ihm unter-
worfen, Holland ihm unterthänig; Oesterreich hatte er nieder-
geworfen in blutigen Schlachten; die deutschen Fürsten mußten
thun, wie er wollte, und auch Preußen hatte er an den Rand des
Verderbens gebracht. Nun gelüstete es ihn, auch Rußland seiner
Herrschaft zu unterwerfen. Im Sommer des Jahres 1812 brach
er mit Viermalhunderttausend auserlesenen Kriegern zu Fuß und
sechzigtausend zu Roß nebst 1200 Stück Geschütz in das große
russische Reich ein. Er hatte die besten Schaaren aus allen Län-
dern Europas gesammelt. Sie waren in allen Künsten der Waffen
wohl geübt und mit allem Kriegszeuge auf's Beste versehen. Aber
in diesem Kriegszuge setzte Gott dem stolzen Eroberer sein Ziel.
— In mehreren blutigen Schlachten zeigten sich zwar die Russen
tapfer; aber sie mußten das Schlachtfeld räumen und zogen sich
tief in das Land hinein nach Moskau, der alten Hauptstadt des
Reiches, indem sie Alles hinter sich her verheerten. Napoleon
folgte ihnen gegen den Rath seiner Generale. Da ereilte ihn in
der alten Zaarenstadt die göttliche Gerechtigkeit. Am 14. Septem-
der war er siegestrunken in das ehrwürdige Schloß der russischen
Kaiser, den Kreml, eingezogen; aber schon in der folgenden Nacht
brachen dort über seinem Haupte die Flammen aus, welche vier
Tage lang wütheten und die ganze Stadt in Asche legten. Un-
säglicher Schrecken ergriff das französische Heer, welches in Mos-
kau sichere Winterquartiere zu finden gehofft hatte. Ende October
mußte Napoleon den Rückzug durch das feindliche Land antreten.
Hierauf hatten die Russen gewartet. Mit den Schwärmen ihrer
Kosacken verfolgten sie den fliehenden Feind, ließen ihm keine Ruhe
weder bei Tag, noch bei Nacht, und wer sich nur von dem Haupt-
heere entfernte, wurde niedergemacht. Da brach Tod und Verder-
den noch furchtbarer über das gewaltige Heer hinein. Früher als
gewöhnlich brach in den öden Steppen Rußlands ein harter Win-
ter ein. Die fliehenden Schaaren hatten keinen Schutz gegen seine
Strenge; ihre Kleider waren zerrissen; die Füße, halb entblößt,
zitterten auf dem kalten Schnee; die Dörfer und Städte waren
verwüstet; nirgend ein Obdach gegen den furchtbar schneidenden
Wind; kein Bissen Brot, den nagenden Hunger zu stillen. Da
ergriff Verzweiflung ihre Herzen. An jedem Morgen lagen Hau-
sen Erfrorener um die ausgebrannten Wachtfeuer. Die ermatte-
ten Krieger konnten sich kaum weiter schleppen; Tausende blieben
zurück und wurden eine Beute der russischen Wölfe. Als das er-
schöpfte Heer über die Beresina zog — hinter ihm her waren