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1. Schul-Lesebuch - S. 195

1856 - Berlin : Stubenrauch
195 nichts Anderes zu bringen hatten, ihr langes, schönes Haar ab- schnitten und den Erlös dem Vaterlande brachten. Darum wird in der Geschichte des Vaterlandes der Frühling und Sommer 1813 unvergeßlich sein. Das aber ist das Herr- lichste daran, daß es die Menschen wieder lernten, ihre Herzen zu Gott empor zu heben, von dem allein Segen und'hülfe kommt. Deshalb wurden auch alle diejenigen, welche in den heiligen Krieg zogen, feierlich in den Kirchen eingeweiht, und an heiliger Stätte ward des Herrn Beistand in dem Kampfe für das Vaterland inbrün- stig herabgesteht. Und wenn die ausrückenden Schaaren durch Städte oder Dörfer zogen, geschah es unter ernstem, feierlichein Glocken- geläut. Das klang wohl wie Grabgeläute, und es konnten sich auch starke Männer in solchen Augenblicken der Thränen nicht enthalten. Aber wenn auch die Ahnung eines nahen Todes in die Brust der Streiter kam, sie blickten dennoch voll freudiger Erhebung zum Himmel empor; gingen sie doch dem schönsten der Tode entgegen, dem Tode für's Vaterland. 44. Die Trommel. Rings wirbelt die Trommel im Preußenland; still liegt nur ein. Hüttchen am baltischen Strand. Was jammert das' Weib drin bei Tag und bei Nacht? — Ihr Mann ist gefallen in heißer Schlacht. Auch traf ihr die Kugel der Söhne zwei; der jüngste nur lebt, und ihr Kummer dabei. Und lebt dir ein Knabe, was härmst du dich bleich? O, preise den Hintmel! noch bist du ja reich. Doch horch! welche Töne das Ufer entlang? — Das Weib schrickt zusammen; was macht'sie so bang? „Horch, Mutter, wie schallt es so mächtig und laut!" — „„Mein Sohn, zur Kirche wohl führt man die Braut."' „Nein, Mutter, das klingt nicht wie Hochzeitston." 4 — „„So trägt einen Todten zu Grab man, mein Sohn."" „Nein, nein! so klingt auch nicht Sterbegesang; schon kenne den Ton ich; schon hört' ich den Klang. Als einst ich ihn hörte zum ersten Mal, da war's für den Vater das Abschiedssignal. Und als er zum andern getroffen mein Ohr, da folgten die Brüder dem werbenden Chor. Nun ruft er zum dritten; er ruft es nun mir: Die Andern sind todt, und die Reih' ist an dir! Die Reih' ist an mir, das Gewehr in der Hand zu fechten für Freiheit und Vaterland. Hinaus denn, hinaus in des Kampfes Glntb! Leb', Mutter, wohl! bleib' in Gottes Hut!" — Hin ziehet der Knabe; das Schwert er schwingt; einhüllt sich das Weib, und die Trommel verklingt. 13*
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