1856 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menges, Heinrich, Menzel, J.
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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4. Der Strom außerhalb Deutschsands.
Nachdem die Donau den letzten Ausläufer der Alpen erreicht hat, kann sie
ruhiger durch ebene Gegenden fließen. Sie verläßt das deutsche Land und be-
tritt das österreichische Königreich Ungarn. An ihr liegt besten frühere Haupt-
stadt Pr eßburg. Die Karpathen breiten sich auf ihrem linken Ufer aus. Ober-
halb der Städte Ofen und Pesth, die zu beiden Seiten des Fluffes einander
gegenüber liegen und durch eine Kettenbrücke verbunden sind, nimmt derselbe
auf einmal die Richtung nach Süden an. Es ist ebenes Land, welches er durch-
fließt. Am linken Ufer dehnen sich öde, baumlose Sand- und Haideftrecken,
steppenartige Grasfluren und Sumpfflächen unabsehbar aus. Der Strom nimmt
hierauf eine südöstliche Richtung an und wird bis zu seinem Austritt aus der
österreichischen Monarchie von Gebirgen eingeschlosten. Bekannt ist die Strom-
enge bei Orsova, das sogenannte eiserne Thor, wo der vorher 3,600 Fuß
breite Strom bis auf 30 Fuß eingezwängt wird. Darauf tritt er in die Tief-
ebene der Wallach ei und mündet endlich in zahlreichen Armen in's schwarze
Meer.
Obgleich die Mündung der Donau in russischen Händen ist und die Wal-
lachei unter türkischer Oberherrschaft steht, so kann man diesen Strom doch einen
deutschen nennen. Von den Quellen an bis Preßburg hin wohnen zu beiden
Seiten Deutsche, und auch Ungarn ist in vieler Beziehung ein deutsches Land.
Es gehört den österreichischen Kaisern, die deutsche Fürsten find. Von jeher
haben sich die Deutschen Verdienste um dasselbe erworben. Deutsche Männer
erretteten das Land aus den barbarischen Händen der Türken. Von Deutschen
lernte das wilde Volk der Ungarn den Ackerbau und die Künste des Friedens.
Sind doch unsere Landsleute in allen Donaustrichen verbreitet! Ueberall, wo
man in die Häuser, Dörfer, Aecker und Gemeinden der Deutschen gelangt, freut
man sich ihres Wohlstandes, ihrer Reinlichkeit, ihrer Bildung. In den Städten
Ungarns sind sie hauptsächlich die Gewerbetreibenden. Nur diejenigen Ortschaften
haben ein städtisches Ansehn, bei deren Bau und Einrichtung deutsche Hand ge-
Holsen hat. — Auch in den türkischen Donau-Provinzen findet man zahlreiche
Bergleute, Handwerker, Kaufleute, Apotheker und Aerzte, welche aus unserem
Vaterlande stammen. Wer also von uns die Donau hinunter reist, der findet
deutsche Sprache bis weit in die Türkei hinein, und den kann noch mitten un-
ter fremden Nationen ein deutscher Gruß erfreuen.
10. Hoch- oder Süddeutschland.
Die Oberfläche Hoch- oder Süddeutschlands bietet eine grosse
Abwechselung dar. Da finden sich die steilsten, theils kahlen,
theils ewig beschneiten Felsgipfel und sanftes, abgerundetes, schön
bewachsenes Hügelland; daneben breiten sich weite Flächen von
Sand- und Kieselfeldern aus, besonders in der Gegend von Mün-
chen. Gewässer bilden sich auf die verschiedenste Weise. Die
Flüsse entstehen entweder aus Quellen, oder sie strömen aus
Gletschern mächtig hervor, oder sie kommen aus Teichen und
See’n. In den Flussthälern ist das Land gut angebaut; nament-