1856 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menges, Heinrich, Menzel, J.
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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2. Des ¡Krieges Fortgang.
Den Kanipf setzten auf evangelischer Seite zunächst Ernst von Mansfeld
und Christian von Braunschweig fort. Da es ihnen aber an Geld fehlte, so
vermochten sie ihre Truppen nur durch Raub und Plünderung zu erhalten.
Diese mußten bald überall vor den katholischen Heeren weichen, welche Tilly
befehligte. Tilly war ein tapferer Soldat, von großer Strenge und Pünktlich-
keit. Er war klein und hager. Seine Augen blitzten finster unter grauen
Wimpern und einer stark gewölbten Stirn hervor. Das Gesicht mit scharfen
Zügen trug eine große, gebogene Nase. Gewöhnlich ritt er einen kleinen Grau-
schimmel und trug ein grünseidenes Gewand nach spanischem Schnitte. Auf
dem Hute wogte eine rothe Hahnenfeder.
Tillys Siege brachten den evangelischen Glauben ernstlich in Gefahr. Auch
das Heer des Dänenkönigs Christian Iv., welcher den bedrängten Glaubensge-
nossen zu Hülfe kam, wurde geschlagen. Dazu erschien auf katholischer Seite
noch ein anderes Heer, geführt von dem gefürchteten Wallenstein. Dieser,
von evangelischen Eltern stammend, war nach einer wunderbaren Lebensrettung
auf Zureden der Jesuiten katholisch geworden. Aus den Sternen glaubte er er-
kannt zu haben, daß er zu etwas Großem bestimmt sei. Da er sehr reich war, so
machte er dem Kaiser den Vorschlag, daß er ein Heer werben und selbst unter-
halten wolle. Der Kaiser ging darauf ein. Sobald die Werbetrommel des Wallen-
steiners wirbelte, strömten von allen Orten Männer herzu, die lieber rauben
helfen, als beraubt sein wollten. Bald war ein ansehnliches Heer unter seinem
Befehl beisammen. — Während Tilly in Westphalen stand, überschwemmte
Wallenstein Schleswig und Jütland mit seinen Schaaren. Wohin diese kamen,
verwüsteten sie die Felder, zerstörten Dörfer und Städte, mißhandelten Weiber
und Säuglinge, tödteten die Männer und plünderten auf daö Unbarmherzigste.
Es war ihnen gleich, ob sie in Freundes- oder Feindesland waren. Wallen-
stein, früher schon zum Herzog von Friedland in Böhmen ernannt, erhielt Meck-
lenburg vom Kaiser, und da er zum Admiral der Ostsee erhoben war, so wollte
er, daß Stralsund kaiserliche Besatzung einnähme. Die Stadt weigerte sich. Nun
schwur der Friedländer, und wenn Stralsund mit Ketten an dem Himmel hinge,
so müßte es herunter. Aber er begrub 12,000 Mann vor den Wällen der Stadt
und mußte sich zurückziehen. — Dänemark schloß 1629 mit dem Kaiser Frieden.
Es versprach, sich künftig aller Theilnahme an den protestantischen Angelegen-
heiten in Deutschland zu enthalten. — Bald waren die katholischen Heere über-
all Sieger. Da erließ der Kaiser auf Antrieb der Jesuiten das Restitutions-
edikt. Hiernach sollten die Protestanten alle eingezogenen Kirchengüter wieder
herausgeben, und den katholischen Fürsten sollte es frei stehen, ihre evangelischen
Unterthanen zur katholischen Kirche mit Zwang zurückzuführen. Ein Schrei der
Entrüstung tönte durch das protestantische Deutschland; aber wer sollte es wa-
gen, gegen solche Ungerechtigkeit sich aufzulehnen? Die Macht der Evangelischen
war gebrochen, mehr noch durch ihre eigene Uneinigkeit, als durch des Kaisers
Siege. — Nur in einem Punkte gab der Kaiser nach. Wallensteins Absetzung
wurde von allen Seiten verlangt, weil die Schandthaten seines Heeres zum
Himmel schrieen; sie wurde vom Kaiser bewilligt.