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1856 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menges, Heinrich, Menzel, J.
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Vollendung des jüdischen Krieges auf. — Schrecklich sah es in-
dessen in Jerusalem aus. Drei Parteien standen in der unglück-
lichen Stadt einander gegenüber und bekämpften sich im offenen
Bürgerkriege, also daß das Blut in Strömen floß. —
Das Aas war da; nun sammelten sich die Adler. Die rö-
mischen Soldaten erschienen vor den Mauern Jerusalems. Sie
fingen sogleich an, die furchtbarsten Belagerungswerkzeuge zuzu-
richten und einen großen Wall um die Stadt zu ziehen. Die
Sturmböcke begannen mit furchtbarem Getöse ihre Arbeit gegen
die Mauern. Von den Thürmen, welche die Römer vor den
Thoren errichtet hatten, drangen tödtliche Geschosse unter die Be-
lagerten. Umsonst war die wüthende Gegenwehr der Juden; nach
vierzehn Tagen mußten sie dem siegreichen Feinde die äußerste
und dann bald auch die mittlere Mauer der Stadt Preis geben.
Zwar gelang es den Juden noch einmal, sie zurückzutreiben. Kurz
jedoch war die Freude der Sieger; bald standen, die Römer wie-
der in dem unteren Theile der Stadt. In dieser begann noch
ein anderer Feind zu wüthen, der Hunger. Fast drei Millionen
Menschen waren hier versammelt wegen des eben eingetretenen
Passahfestes; Alle wollten leben, und der Feind hatte die Zufuhr
abgeschnitten. Bleich und siech schlichen die Einwohner wie Schat-
ten umher. Gierig verschluckte der Hungrige die rohen Körner
des Getreides. Keine Bande des Blutes und der Freundschaft
wurden mehr geachtet. Der Vater sah mit Kälte den Sohn ver-
schmachten; die Mutter versagte dem weinenden Säugling die
stärkende Milch. Wen der Hunger verschonte, der erlag dem
Schwerte. Bewaffnete Schaaren drangen in die Häuser der Reichen
ein und raubten die vorhandenen Vorräthe; fanden sie Widerstand
oder keinen Vorrath, so stießen sie die Bewohner nieder und spal-
teten das Haupt des lebenssatten Greises wie des unmündigen
Kindes. — Trotz dem gelang es den Juden, die mit wilder Wuth
kämpften, bei einem Ausfalle sämmtliche Belagerungswerkzeuge der
Römer und ihre Verschanzungen in Brand zu stecken. Nun ließ
Titus die Stadt durch eine ungeheure Mauer ganz eng einschlie-
ßen. Jetzt stieg die Noth auf's Höchste. Greise, rüstige Männer,
Frauen und Kinder sanken auf den Straßen «id in den Häusern
nieder. Die ganze Stadt glich einem großen Leichenhause. Man
sah sich gezwungen, die ungeheure Menge der Todten über die
Stadtmauer zu werfen und die Gräben damit zu füllen. Den-
noch durfte Niemand von Uebergabe reden; wer es that, ward
hingerichtet. Viele gingen zu den Römern über in heimlicher
Flucht; diese aber schnitten ihnen den Leib auf, weil sie glaubten,
die Juden hätten Gold verschluckt. — Um jeden Bissen Brotes
ward in der Stadt ein unmenschlicher Krieg geführt; der Bruder
fiel durch des Bruders Schwert. Taumelnd und den Wahnsinn!-