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1. Schul-Lesebuch - S. 461

1856 - Berlin : Stubenrauch
461 tele er sich auf einen einsamen Landsitz und betete hier Tag und Nacht znm Herrn. Dieser offenbarte ihm seinen Tod in einem Traumgesicht. Er sah, daß sein Kopfkissen vom Feuer verzehrt wurde, und den Sinn wohl verstehend, sprach er zu seinen be- kümmerten Freunden: „Ich soll lebendig verbrannt werden." — Als sein Aufenthalt verrathen wurde, floh er auf einen andern Landsitz. Da die, welche ausgesendet waren, ihn aufzusuchen, ihn nicht fanden, zwangen sie einen Diener durch die Folter, ihnen den Aufenthaltsort seines Herrn anzugeben. Polycarpus befand sich eben im oberen Stockwerk des Hauses, als seine Verfolger erschienen. Noch hätte er sich retten können; aber er sprach voll Ergebung: „Des Herrn Wille geschehe!" Freundlich redete er mit seinen Verfolgern; ja eingedenk des Wortes: „So nun dei- nen Feind hungert, so speise ihn, dürstet ihn, so tränke ihn", be- fahl er, ihnen zu essen und zu trinken zu-geben und erbat von ihnen nur noch die Gunst, ihm eine Stunde zum ruhigen Gebete zu gönnen. Nun ward er auf einem Esel zur Stadt geführt. Da begegnete ihm ein Polizeiaufseher und dessen Vater; die nah- men ihn in ihren Wagen und suchten ihn zu bereden, Christum zu verleugnen. Als er aber dessen sich weigerte, ergrimmten sie und stießen den neunzigjährigen Greis mit Schimpfreden vom Wagen, daß im Fallen sein Schenkel hart verletzt wurde. Still ertrug Polycarpus den Schmerz. Unter wildem Getümmel des Volkes begann das Verhör. Der Statthalter sprach: „Bedenke dein hohes Alter; schwöre beim Kaiser, fluche nur Christo, und ich lasse dich los." Aber der Greis antwortete mit tiefer Bewe- gung: „Sechs und achtzig Jahre habe ich Ihm gedienet, und Er hat mir nie etwas zu Leide gethan; wie sollte ich meinem Könige fluchen, der mich selig gemacht hat?" — Dem Statthalter lag es wirklich am Herzen, den Greis zu retten; er-sprach daher: „Ueber- rede nur das Volk!" Aber Polycarpus sprach: „Dir war ich schuldig, Rechenschaft abzulegen; denn wir sind gelehret, alle Obrig- keit, die von Gott gesetzt ist, zu ehren, soweit das Gewissen es erlaubt. Aber diese da halte ich nicht werth, vor ihnen mich zu vertheidigen." „Ich habe wilde Thiere!" rief der nnn erzürnte Richter. — „Laß sie kommen!" erwiederte der Märtyrer. — „Wir haben auch Feuer!" schrie ein anderer. — „Du drohst mit einem Feuer," eutgegnete der Glaubensheld, „welches nur einen Augen- blick brennt; aber du weißt nichts von dem zukünftigen Gerichte und von dem Feuer der ewigen Strafe, welches für die Gottlosen aufbehalten ist. Aber warum zögerst du? Thue, was dir ge- fällt." — Und schon schrie die ganze Menge in großer Wuth: „Dieser ist der Lehrer von Asien, der Vater der Christen, der Feind unserer Götter. Laß ihn verbrennen!" Von allen Seiten trug das. wüthende Volk Brennholz herbei, und der Scheiterhaufen.
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