1856 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menges, Heinrich, Menzel, J.
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
462
ward bereitet. Freudig zog der Märtyrer seine Kleider aus. Als
man ihn an einen Pfahl binden wollte, sprach er: „Laßt mich,
wie ich bin; denn der mir Kraft giebt, die Glnth des Feuers zu
ertragen, der wird mir auch Kraft geben, unbeweglich in dersel-
den zu stehen, ohne daß ihr mich annagelt." — Er wurde also
nur gebunden, nicht angenagelt. So, mit den Händen auf dem
Rücken, stand er da, und ein brünstiges Gebet stieg zum Himmel
empor. Nun ward das Holz angezündet. Aber es war, als wollte
das Feuer den treuen Bekenner des Herrn nicht antasten. Die
Flamme umgab den Märtyrer/ ohne ihn zu verletzen. Da die
Heiden sahen, daß der Leib nicht verbrennen wollte, durchbohrten
sie ihn, und der Strom des Blutes, der ihm entquoll, schien das
Feuer dämpfen zu wollen. — So starb Polycarpus; seine Ge-
meinde aber feierte jährlich den Todestag des theuren Hirten wie
seinen himmlischen Geburtstag, und seine gesammelten irdischen
Ueberreste verwahrte sie als ein köstliches Gedächtniß.
60. Bonifazius.
l. Ronisazius bekehrt die Deutschen-
-Zur Zeit, als das Licht des Evangeliums schon in Griechen-
land, Italien, Frankreich und England die Nacht des Heidenthums
vertrieben hatte, saßen die deutschen Stämme zwischen dem Rhein-
und Elbstrome noch am Ort und Schatten des Todes und kann-
ten weder den Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, noch
wußten sie etwas von Seinem Sohne. Sie beugten ihre Kniee vor
Götzenbildern, und ihre Priester brachten ihren Göttern in heili-
gen Hainen und unter geweihten Eichen Opfer dar. Gott aber
hatte große Dinge vor mit unserm Volke; Er wollte es vor an-
dern Völkern gebrauchen zur Förderung Seines Reiches. Er er-
weckte Männer, daß sie das Evangelium auch den Deutschen bräch-
ten. In der einen Hand die heilige Schrift, in der andern das
Kreuz: — so zogen sie getrosten Muthes und voll freudigen Glaubens,
keine Gefahr und selbst den Tod nicht scheuend, in die deutschen
Wälder und predigten den Namen Jesu Christi besonders den Stam-
men am Rhein und an der Donau. Was sie begonnen, vollen-
dete Bonifazius. Er hieß ursprünglich Winfried und war in
England geboren. Seine Eltern waren aus edlem Geschlechte; sie
hatten ihn zu einer glänzenden Laufbahn bestimmt. Nach ihrem
Willen sollte er in der Welt sein Glück machen; Gott aber hatte
es bestimmt, daß er groß werden sollte im Himmelreiche. Schon
in dem Knaben erwachte die Neigung zum Klosterleben, und seine
Eltern mußten endlich darein willigen, daß er in ein Kloster ging.
Hier wurde er bei eifrigem Fleiß ein gelehrter Mann. In seinem
dreißigsten Jahre wurde er Priester, und überall war er hoch
geehrt wegen seiner Kenntniß der heiligen Schrift und wegen sei-