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1. Der sächsische Kinderfreund - S. 15

1868 - Leipzig : Arnoldi
15 Ludwig der Eiserne. Um die Mitte des 12ten Jahrhunderts herrschte über Thüringen der Landgraf Ludwig, welcher in der Geschichte den Zunamen des Eisernen führt. In seiner Jugend bekümmerte er sich um seine Regierung wenig oder gar nicht, sondern fand nur in der Jagd und in andern Lustbarkeiten seine einzige Erholung. Die Grafen und Edel- leute in Thüringen benutzten die Schwäche ihres Vorgesetzten, wider- setzten sich seinen Anordnungen, spotteten über seine Person und er- laubten sich, gegen die armen Unterthanen, die damals größtenteils Leibeigene waren, die schreiendsten Ungerechtigkeiten. Welcher Bauer Pferde, Ochsen oder Kühe hatte, der mußte sein Vieh des Vormittags anspannen, um den Acker seines Herrn zu bestellen, so daß er an die Sorge für sein Haus und Feld gar nicht denken konnte. Noch schlim- mer ging es dem armen Häusler. Weil dieser kein Zugvieh besaß, so ward er selbst vor den Pflug gespannt, den gewöhnlich 6 solcher Unglücklichen ziehen mußten; ein Siebenter lenkte den Pflug; der Adelige selbst, oder einer seiner Diener ging daneben her und hieb mit der Peitsche unbarmherzig auf die Leute zu, .wenn es nicht rasch vorwärts ging. Sogar Weiber wurden mit vorgespannt, und man hat Beispiele daß manche dieser gequälten Menschen vor Anstrengung und Miß- handlung zur Erde niederfielen und den Geist aufgaben. Lange Zeit erfuhr der junge Landgraf von diesen Bedrückungen seiner Unterthanen kein Wort. Allein ein glücklicher Zufall wollte, daß er erfahren sollte, wie es in seinem Lande eigentlich zugehe. Eines Tages jagte er in dem dicken Thüringer Walde; er hatte sich verirrt, die Nacht brach ein und mit genauer Noth kam er mit seinem ermüdeten Rosse bis zur Hütte eines Hammerschmiedes in dem jetzigen Städtchen Ruhla, welchen er um ein Nachtquartier bat. „Wer seid Ihr?" fragte der Schmied. „Ich bin," erwiederte Ludwig, „ein Jäger des Landgrafen, habe mich verirrt und will die Nacht bei Euch bleiben' wenn Ihr mir Herberge geben wollt." Kaum vernahm der Schmied das Wort: Landgraf, als er anfing auf denselben zu schimpfen und ihn hart darüber zu tadeln, daß er sich nicht um sein Land bekümmere, sondern die Edelleute mit den gedrückten Unterthanen vornehmen lasse, was ihnen beliebe. Voll Unwillen räumte er daher dem Verirrten ein Nachtlager in dem Schuppen ein, wo sich etwas Gras für das hungrige Pferd vorfand. Der Landgraf konnte nicht einschlafen, denn der Schmied arbeitete die ganze Nacht hindurch, und bei jedem Schlage, den er mit dem schweren Hammer auf den Ambos that, wiederholte er die Worte: „Landgraf, werde hart! Werde hart, Landgraf! Siehst du nicht, wie deine Grasen und Edelleute das Land drücken und aus-
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