1868 -
Leipzig
: Arnoldi
- Autor: Otto, Christian Traugott
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Landschule, Stadtschule
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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auf dem Schlosse zu Altenburg, welches wegen seiner Höhe sehr
schwer zu ersteigen war. Kunz wußte aber auch das Schwere leicht
zu machen.
Er verband sich in dieser Absicht mit neun verwegenen Rittern^
denen er zur Ausführung seines Planes große Summen Geldes ver-
sprach. Die vornehmsten derselben hießen Wilhelm von Mosen
und Wilhelm v on Schönfels. 'Am behilflichsten war ihm aber der
churfürstliche Küchenjunge Hans Schwalbe, der ihm Alles heim-
lich verrieth, was am Hofe vorging. Um daher jede Kleinigkeit zu.
erfahren, hielt sich Kunz nicht weit von Altenburg auf dem Schlosse
Kohren auf. Eines Tages ließ ihm Haus Schwalbe melden, daß der
Churfürst mit vielen Hofleuten nach Leipzig gereis't sei, daß der Kanzler
den übrigen Dienern des Hofs ein großes Gastmahl in der Stadt
gebe, daß nur ein alter Trabant die Wache habe, und daß die Chur-
fürstin Margaretha mit ihren Prinzen sich allein befinde. Kau-
fungen hielt diesen Zeitpunct für den passendsten. Er rückte daher in
der Nacht zwischen dem 7. und 8. Juli 1455 mit feinen Gehilfen ganz
still an das Schloß; der Küchenjunge befestigte eiserne Haken an dem
Küchenfenster, um die langen Strickleitern, die man dazu hatte machen
lassen, daran zu hängen; Kaufungen stieg nebst den Rittern die hohe
Schloßmauer hinan, und sie gelangten durch ein Fenster glücklich in
das Schloß. Kaum angekommen, banden sie den alten Soldaten mit
Stricken und sperrten ihn in ein entferntes Gemach; vor vas Zimmer,
in welchem die Churfürstin mit einer Hofdame schlief, legten sie Schlös-
ser, damit es Niemand verlassen konnte, und nun ging es gerade in
die Schlafstube der Prinzen. Ernst, damals 14 Jahre alt, erwachte
über das Geräusch, und als er die fremden Ritter mit den bloßen
Schwertern vor seinem Bette erblickte, ries er einer alten Dame, die in
seiner Nähe schlief, zu: „Ach! Kunz von Kaufungen ist da und will
uns umbringen. Sagt es gleich unsrer Frau Mutter, daß sie uns
helfe." Sogleich drohte Kunz dem Prinzen, ihn augenblicklich zu er-
stechen, wenn er um Hilfe rufen oder überhaupt Lärm verursachen
würde; er führte ihn die Treppe hinab über den Schloßhof. Wilhelm
von Mosen hatte den Auftrag, den zwölfjährigen Prinzen Albert zu
holen. Bei diesem schlief ein junger Graf von B arby, der am Hose
erzogen ward. Der Räuber vergriff sich daher in der Nacht und brachte
den Grafen herab. Kaufungen entdeckte sogleich den Irrthum, ging
nochmals in das Schloß zurück und bemächtigte sich des Prinzen, der
sich vor Angst unter das Bett verkrochen hatte. In diesem Augenblicke
erwachte die Mutter; sie fand die Thüren fest verschlossen, lief schnell
an das Fenster und rief in ihrer Herzensangst dem Ritter die Worte
nach: „Lieber Kunz, thue nicht so übel an mir und meinem lieben