1868 -
Leipzig
: Arnoldi
- Autor: Otto, Christian Traugott
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Landschule, Stadtschule
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Der schlimmste darunter war das Jnquisitions-Gefängniß auf der
Dominikaner-Insel, welches 2 Schuh 8 Zoll Breite, 6 Schuh Höhe
und 7 Schuh Länge enthielt, und dessen Thüre und Fenstersteine sich
seit 1827 zu Kostnitz in dem Saale befinden, wo die Kirchenversamm-
lung 1415 gehalten ward. Vergebens beriefen sich seine Vertheidiger
auf den Geleitsbrief; sie erhielten zur Antwort, Huß sei ein Ketzer;
als solcher stehe er nicht unter dem Kaiser, sondern bloß unter der
Kirche. Aus Besorgniß, es möchten seine Anhänger ihn mit Gewalt
frei machen, brachte man ihn in ein Franziskaner-Kloster nahe am
Bodensee, wo er in einem feuchten, finstern Keller schmachten mußte.
Zum Glück für ihn waren seine Wächter gutmüthige Leute. In dieser
ungesunden Luft ward der arme Mann bald krank, und er schrieb
daher bei seinen Schmerzen: „Wenn ihr mich sehen solltet, ihr würdet
mich bedauern. Nicht viel Ruhe läßt mir der Schmerz. Er preßt
mich zusammen wie einen Wurm. So sehr muß ich mich krümmen
und mich auf meinem elenden Lager herumwälzen." Man brachte ihn
daher auf ein Schloß, um ihn für einen qualvollen Tod aufzubewahren.
Benachrichtigt von dem Schicksale seines Freundes, erschien Hierony-
mus von Prag; indeß man bewog ihn, umzukehren. Er wollte ganz
Böhmen zur Rettung seines Lehrers auffordern. Ehe er aber die
Gränzen seines Vaterlandes betrat, ergriff man ihn, schmiedete ihn an
einen Wagen, brachte ihn nach Kostnitz, schloß ihn mit einer Kette um
den Hals und sperrte ihn länger als ein Jahr in einen Thurm. End-
lich erschien der Kaiser Sigismund selbst, um den Verhandlungen der
Kirchenversammlung beizuwohnen, wo 34 Cardinäle, 20 Erzbischöfe,
160 Bischöfe, 250 Prälaten, 4 Churfürsten, 20 Herzöge, 80 Grafen,
nebst einer unzähligen Menge von Mönchen und Geistlichen zugegen
waren. Am 5. Juni 1415 ward Huß vor die Versammlung geladen.
Seine Schriften wurden ihm vorgelegt, die er für die seinigen erkannte.
Zum Widerrufe dessen, was er der Bibel und seiner Ueberzeugung
gemäß gelehrt hatte, konnte ihn aber Niemand bringen. Wohl hatte
dieß der Kaiser von ihm erwartet, und er sprach daher nach dem Ver-
höre zu ihm: „Ich muß öffentlich bekennen, dir sicheres Geleit ertheilt
zu haben, damit du hier ungehindert erscheinen konntest. Da ich aber
dadurch die Strenge der Gerechtigkeit nicht hindern will, und ein Ge-
leitsbrief keinen überwiesenen Ketzer schützen kann, so rathe ich dir, dich
aller hartnäckigen Vertheidigung zu enthalten und dich der Kirchenver-
sammlung zu unterwerfen. Im Gegentheil werde ich eher mit dieser
meiner Hanv einen Scheiterhaufen anzünden, um dich zu verbrennen,
ehe ich deiner Hartnäckigkeit mit einem Geleitsbrief durchhelfen will."
Ruhig erwiderte Huß, er werde nur dann seine Meinung fahren lassen,
wenn man ihn eines Besseren belehren würde.
Otto, Kinderfreund. 5