1868 -
Leipzig
: Arnoldi
- Autor: Otto, Christian Traugott
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Landschule, Stadtschule
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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derselben anzustellen. Er befragte daher den Dr. Staupitz, welcher
sogleich den fleißigen und geschickten Mönch Luther in Vorschlag
brachte. Der Churfürst willigte ein; 1508 ward Luther als Professor
nach Wittenberg berufen. Es dauerte nicht lange, so gewannen die
Studenten den neuen Lehrer lieb, weil er sich durch Fleiß und Gelehr-
samkeit auszeichnete. Eben so wenig ließ der Stadtrath diesen ge-
schätzten Mann unbeachtet, sondern er übertrug ihm das Predigeramt
an der Stadtkirche. Luther fühlte sich allerdings dadurch geehrt; allein
er hielt sich bei seiner Bescheidenheit noch nicht tüchtig zu diesem Amte.
Er selbst äußerte sich darüber also: „Es ist wahrlich nicht eine schlechte
Sache, an Gottes Statt mit den Leuten reden und ihnen predigen
sollen." Sein Gönner Staupitz sprach ihm aber in folgenden Worten
Muth ein: „Ihr müßt das Predigtamt annehmen; Gott hat große
Geschäfte und braucht dazu Leute, wie ihr seid." Genug, Luther trat
das Amt eines Stadtpredigers zu Wittenberg an. Und er wirkte mit
großem Segen auf der Kanzel; denn, was er predigte, das bewies er
aus dem göttlichen Worte. Dabei vernachlässigte er seine übrigen
Pflichten keineswegs; er lehrte mit großem Beifall als Professor und
blieb noch ein eifriger Mönch; denn noch immer wohnte er in der
kleinen Zelle des Augustinerklosters zu Wittenberg.
Di\ Staupitz erkannte deutlich, was er an Luther habe. Als
daher ein schwieriges Geschäft in Ansehung der Augustinerklöster ab-
zumachen war, so gab er Luthern den Auftrag, eine Reise nach Rom
zu unternehmen. Letzterer reiste 1510 in Begleitung eines Ordens-
bruders dahin ab. Als er die Stadt in der Ferne sah, fiel er auf die
Erde, hob seine Hände auf und sprach: „Sei gegrüßet, du heiliges
Rom!" Er ging andächtig in alle Kirchen, las mehre Messen, und es
that ihm sehr leid, daß seine Aeltern noch lebten, weil er sie durch die
Messen und andere gute Werke aus dem Fegefeuer erlösen wollte.
Auch stieg er knieend die Pilatustreppe hinan, die aus dem Richthause
zu Jerusalem nach Rom gekommen sein sollte, um dadurch Ablaß zu
empfangen. Gleichwohl ries ihm eine innere Stimme zu: „Der Ge-
rechte lebt seines Glaubens." Niemand konnte denken, daß diese Reise
den ersten Grund zur Reformation legen würde; denn Luther sah zu
seinem Erstaunen, welche Verschwendung am päpstlichen Hofe herrschte;
auch überzeugte er sich von dem ungeistlichen Leben vieler Geistlichen.
Wenn er vorher mit der tiefsten Achtung gegen den Papst erfüllt ge-
wesen war, so fing er jetzt an, an der Heiligkeit desselben zu zweifeln,
und er fühlte sich neu gestärkt, gegen die Mißbräuche der Kirche zu
eifern und der Unwissenheit, in welcher das Volk lebte, zu steuern.
Bei allen diesen Beobachtungen hatte er den Auftrag, den er von
vr. Staupitz erhalten, zur besonderen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten