1868 -
Leipzig
: Arnoldi
- Autor: Otto, Christian Traugott
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Landschule, Stadtschule
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Thatsache möge dies beweisen. Am Vormittag eines Sonntags, wo
die meisten Einwohner in der Kirche waren, kam ein Bär in die untere
Wohnstube eines Hauses und sand 2 Kinder; das kleinere lag in der
Wiege, das andere erhob bei dem Anblicke des fürchterlichen Gastes
ein heftiges Geschrei. Eine Frau aus dem Nachbarhause, welche das
Schreien hörte, kam herbei, um zu sehen, was vorgefallen sei. Welch'
ein Anblick! Der Bär stand neben der Wiege, leckte das kleine Kind
und beobachtete mit scharfem Auge das ältere, welches so kläglich weinte.
Bei'm Anblick der Frau stürzte sich das reißende Thier auf diese,
zerriß sie, ließ die Kinder unversehrt und durchlief wüthend mehre
Gassen der Stadt, um seinen Blutdurst zu stillen. Jetzt war der
Gottesdienst in der Schloßkirche beendigt, und die Stadtbewohner
gingen unbesorgt ihren Wohnungen zu. Wie erschracken sie, als sie
auf dem Markte zu Schellenberg den Bären fanden! Sie drängten
sich schnell in einen dichten Haufen zusammen, um das Unthier in
Respect zu erhalten. Alles war in Todesangst, und Niemand wußte,
wie es mit seiner Familie stehe. Bald wagte es ein Bürger, in seine
Wohnung zu eilen und die Seinigen aufzusuchen. Allein kaum hatte
er den dichten Kreis seiner Mitbürger verlassen, als die wilde Bestie
ihn erfaßte und zerfleischte. Jetzt stürzten die Uebrigen in ihre Häuser,
bewaffneten sich und erlegten endlich den Bären.
Eben so gelang es einem andern Bären, den 3. Juli 1757 aus
seiner Gefangenschaft zu entkommen. Er warf eine Frau darnieder.
Allein diese hatte Besonnenheit genug, sogleich den Athem fest an sich
zu halten und wie todt liegen zu bleiben. Der Bär beroch sie, wendete
sie mehrmals um und ließ sie unverletzt liegen. Nachdem der schlimme
Gast Furcht und Schrecken verbreitet hatte, waren die Einwohner zu
Schelleuberg so glücklich, das gefährliche Thier zu tödten.
Seit diesen Unfällen hat man den Bärengarten in einen treff-
lichen Obst- und Grasgarten umgeschaffen.
Die Städte Oederan, Frankenberg und vorzüglich
Chemnitz, an der Chemnitz gelegen, letztere mit 50,000 Einwoh-
nern, sind wegen ihrer Kattundruckereien, Bleichen und Baumwollen-
waaren bekannt. Unter Baumwolle versteht man die zarten Fasern,
welche in der reifen Samenkapsel der Baumwollenpflanze wachsen.
Die beßte kommt zu uns aus Ostindien in Asien und aus Westindien
in Amerika; auch in Europa, z. B. im Archipel, in Italien, in Frank-
reich und in Spanien wird Baumwolle erbaut. Um sie von den Ker-
nen, die in der Samenkapsel liegen, zu reinigen, wird sie geklopft und
auf sogenannten Streicheisen gestrichen. Ist dieß geschehen, so kommt
sie auf die Krempelmaschine, welche aus Walzen besteht, die mit eisernen
.Häkchen versehen sind, und von denen allemal zwei und zwei sich über-