1868 -
Leipzig
: Arnoldi
- Autor: Otto, Christian Traugott
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Landschule, Stadtschule
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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stark zu reiben. Bedeckt ihn mit warmen Tüchern, mit Betten, oder,
wenn diese fehlen, mit Stroh oder Heu, nur das Gesicht bleibe unbe-
deckt, und die Tücher müssen von Neuem erwärmt werden. Bestreicht
das Gesicht und die Schläfe mit Essig, Branntwein, Wein, oder
einem anderen Spiritus. Sobald ma'n fühlt, daß sich das Herz zu
bewegen anfängt, so reibt den Leib, die Hände, Füße und Herzgrube
mit warmen Tüchern, mit Flanell, oder mit einer Bürste, in Oel
getaucht; auch ist das Peitschen mit Brennnesseln sehr heilsam, weil
dadurch das stockende Blut in Bewegung kommt. Während der Er-
trunkene gerieben wird, setzt seine Füße in ein lauwarmes Bad, wozu
immer warmes Wasser gegossen wird. Blaset dem Ertrunkenen mittels
einer Federspule, einer kleinen Röhre, oder eines kleinen Blasebalgs
Luft in die Nase, wodurch die Lunge wieder in Bewegung kommt.
Erwacht der Ertrunkene, so fahrt mit dem Reiben, Erwärmen und
Einblasen fort, weil das Leben noch sehr schwach ist. Kann er schlingen,
so flößt ihm nach und nach ein wenig Thee, mit Essig oder Wein
vermischt, ein, gebt ihm warmes Bier oder warme Suppe.
Auf dieselbe Weise kommt man auch dem zu Hilfe, der sich er-
henkt hat. Zst er behutsam losgeschnitten, damit er nicht zu stark
auf die Erde falle, so muß man ihn vor allen Dingen vom Stricke
und von drückenden Kleidungsstücken befreien, z. B. Weste, Halstuch,
Strumpfbändern, Miedern rc.
Ein Erfrorener darf nicht in die warme Stube gebracht weiden,
weil er dadurch am sichersten getödtet wird. Man muß ihn, wie das
erfrorene Obst, nach und nach austhauen. Man zieht oder schneidet
ihm zuerst die Kleidungsstücke herunter und bedeckt ihn sodann eine
halbe Elle hoch mit Schnee, so daß nur das Gesicht frei bleibt. Ist
kein Schnee vorhanden, so setzt man ihn in ein kaltes Bad, oder
wickelt ihn in Tücher, die in kaltes Wasser getaucht sind, so lange,
bis der Körper warm wird und die Glieder sich beugen lassen. Nach
der nöthigen Erwärmung legt man ihn in ein Bett, jedoch immer noch
in einer kalten Stube. Um ihm wo möglich das Leben wiederzugeben,
bläst man ihm durch die Nase wiederholt Luft in die Lunge, wie man
es bei dem Ertrunkenen thut. Erfrorene werden öfters noch am Leben
erhalten, wenn sie schon Tage lang erfroren gewesen sind. Wer im
strengen Winter verreist, der merke sich Folgendes: man trinke keinen
Branntwein, sondern man genieße warmes Bier, oder Suppe, weil
der Branntwein ermüdet. Man mache sich, wenn man sich im Schnee
verirrt hat, Bewegung, soviel man kann; denn wer sich niedersetzt,
der schläft ein, das Blut im Körper erstarrt durch die Kälte, und so
ist an ein Erwachen nicht wieder zu denken, wenn nicht die Hilfe
schleunigst kommt.