1864 -
Breslau
: Leuckart
- Autor: Rendschmidt, Felix
- Hrsg.: Kühn, Franz
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Landschule, Katholische Stadtschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
54
Geschichte.
Natur bringt; der Mond, dessen sanfter Schein die dunklen
Wälder erhellt, daß der Wanderer den Steg, der Jäger seine
Hütte finde; das Feuer, die Erde (Hertha), welche gleich einer
liebenden Mutter des Lebens Bedürfnisse bietet. Der Hauptsitz
der Göttin Hertha war ein heiliger Hain, wahrscheinlich auf der
Insel Rügen. Hier stand der reich mit Teppichen behangene
Wagender Göttin; mit geweihten Kühen bespannt, wurde er, von
Priestern in tiefster Ehrfurcht begleitet, durch die deutschen Gaue
geführt, wenn die Natur aus ihrem Winterschlafe erwachte. Friede,
Freude und Glückseligkeit herrschte dann aller Orten, jede Fehde
ruhte, bis die Priester das Heiligthum zurückgeführt hatten.
Als den höchsten Gott verehrten sie den Wodan, auch unter
dem Namen Allvadur (Allvater) bekannt; Thor oder Tuner war
der Kriegs- und Donnergott; dem gemeinschaftlichen Stammvater
Tuisco oder Teut erwiesen alle Stämme göttliche Ehre. Was
dem Deutschen auf Erden als das Wüuschenswertheste galt, das
glaubte er dereinst in seinem Himmel (Walhalla) zu finden
bei Jagd und Kamps re. Gegen Abend heilen die empfangenen
ehrenvollen Wunden wie durch Zauberkraft, die Helden versöhnen
sich und setzen sich zum fröhlichen Mahle; aus mächtigen Hörnern
des Auerochsen wird der köstliche Meth unter schallendem Jubel
herumgetrunken. Darum wurden dem gefallenen Helden seine
Waffen, sein Streitroß mit ins Grab gelegt, und noch jetzt findet
man in Norddeutschland zahlreiche Gräber (Hünen- oder Riesen-
gräber), in deren Tiefe eine rohe, aus Lehm gebrannte Urne
die Asche der Todten enthält, und Reste von Waffen und
Hausgeräthen aus Stein und Kupfer werden nicht selten darin
angetroffen.
Kampf und Krieg war das Lebenselemeut des freien Deut-
schen, selbst die Spiele waren kriegerisch. Luftgefechte und der
Schwertertanz waren die Freude der Jugend und weckten bei den
Alten die heiteren Bilder der Vergangenheit. Zwischen bloßen
Schwertern und starrenden Lanzen tanzten die Jünglinge nackend
umher, wanden sich bald in vielfachen Verschlingungen, bald
sprangen sie keck zwischen den scharfen Waffen hindurch, ohne daß
eine ihre Haut ritzte. Der Beifall der greisen Helden war ihr
reichster Lohn. — Früh folgte der Knabe dem Vater auf die Jagd;
zum Jünglinge herangereift, ward er in die Versammlung seiner
Mitbürger geführt, mit Schild und Lanze bewaffnet und feierlich
zum wehrhaften Mitgliede der Gemeinde aufgenommen. Das
war ihm der schönste Tag seines Lebens. Nie, selbst im Tode
nicht, trennte er sich von seinen Waffen. Statt der Helme dienten
Felle wilder Thiere, Rachen und Hörner ragten drohend über dem
Kopfe hervor und gaben dem Heere ein schreckenerregeudes Ansehen.