1864 -
Breslau
: Leuckart
- Autor: Rendschmidt, Felix
- Hrsg.: Kühn, Franz
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Landschule, Katholische Stadtschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Geschichte.
dahin. Seit der Zeit war Jerusalem nie leer von frommen
Pilgern, die vor heißer Sehnsucht brannten, die heiligen Stätten
zu besuchen, wo einst der Heiland in menschlicher Hülle gewan-
delt; nirgends war ihre Andacht inniger als dort. So lange die
Araber Herren von Palästina waren, nahmen sie die Wall-
fahrten in Schutz; denn auch bei ihnen galt Jerusalem für eine
heilige Stadt. Als aber die seldschuckischen Türken, ein
rohes und wildes Volk, um das Jahr 1072 dieses Land erober-
ten, wurden die Pilger verfolgt und beleidigt, der^ christliche
Gottesdienst beschimpft und die Diener des Altars mißhandelt.
Man forderte große Summen für die Erlaubniß, die heilige
Stadt zu betreten. Immer lauter und dringender vernahm man
in Europa die Klagen über die Leiden der Pilger.
Um dieselbe Zeit machte eine Wallfahrt in das gelobte Land
Peter, gebürtig aus Amiens (Ami - eng), einer Stadt in
Frankreich. Er lebte zuerst als Einsiedler, nachher wurde er
Priester. Auf seiner Heimkehr aus Palästina kam er durch Rom
und überreichte dem Papste Urban eine Bittschrift von dem
bedrängten Patriarchen zu Jerusalem; zugleich schilderte er die
Leiden, welche die Mutter aller Kirchen von ihren Tyrannen
erdulde, mit flammenden Worten. Staunend hörte Urban den
beredten Mann an, lobte seinen Eifer und sagte ihm alle Unter-
stützung zu. „Gehe hin, mein Sohn," sprach er, „wandle von
Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, erzähle überall, was du
im gelobten Lande gesehen und gehört hast, erwärme die kalten
Herzen und der Heiland wird seinen Segen zu deinen Bemühungen
geben; das Uebrige soll meine Sorge sein!"
Da setzte sich Peter barfuß und mit entblößtem Haupte, in
einem grauen Pilgerkleide, auf einen Esel, umgürtete seinen
abgezehrten Leib mit einem Strick; nahm ein Kreuz in die Hand
und that, wie ihm vom Papste geboten ward. Er predigte auf
den Straßen, Kreuzwegen, in Kirchen. Seine Worte erregten
Begeisterung. Von allen Seiten strömten die Menschen zusam-
men, um ihn zu hören; man empfing und verehrte ihn überall
wie einen Boten des Himmels.
Auch der Papst Urban blieb nicht unthätig. Er berief im
Jahre 1005 eine Kirchenversammlung zu Clermont in
Frankreich. Die ganze weite Ebene war mit Menschen angefüllt.
In der Mitte erhob sich ein Gerüst, auf welchem der Thron für
den Papst stand. Zuerst trat Peter auf und sprach so ergreifend
von dem Elende der Christen im heiligen Lande, daß alles Volk
laut weinte und schluchzte. Dann erhob sich der Papst mit
folgenden Worten: „Ich will sie nicht trocknen, die Thränen
der Wehmuth. Lasset uns weinen, meine Brüder! Aber wehe