1864 -
Breslau
: Leuckart
- Autor: Rendschmidt, Felix
- Hrsg.: Kühn, Franz
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Landschule, Katholische Stadtschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
Das Dorstellungsvcrmögen.
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auf seine Angelschnur hinstarrt. Ernst spricht von den Annehm-
lichkeiten, die er genossen und von den schönen Pflanzen, die
er gefunden hatte. Bernhard aber zeigt ihm, missvergnügt
über den schlechten Fang, ein geangeltes Fischchen vor. Von
den Schönheiten der Gegend, von der Thier- und Pflanzen-
welt hatte er wenig wahrgenommen; denn seine Augen waren
meist auf das Federchen der Angelschnur gerichtet. Da es
jetzt Zeit zur Rückkehr war, gingen beide Brüder zu Karl,
der noch schlief. Ernst berührte ihn leise, allein er kam nicht
gleich zur Besinnung, sondern fing an im Schlafe von den
Tauben und Hübnern, die er gern fütterte, zu sprechen; dann
aber erwachte er plötzlich mit einem Schrei, sah sich ängst-
lich nm und erzählte: es habe ihm geträumt, des Nachbars
Katze sei über eine junge Taube hergefallen, und er wollte
ihr eben den Raub entreissen. Als die Kinder zu Hause ange-
langt waren, wurden sie über ihre kleine Wanderung vom
Vater befragt. Ernst zeigte die gesammelten Pflanzen und
erzählte viel von seinen Beobachtungen. Da seine Seele eine
Menge deutlicher Vorstellungen empfangen hatte, so konnte er
sich auch viele wieder vor die Sinne gestellt denken und darüber
berichten. Warum Bernhard wenig, und Karl fast nichts zu
sagen wusste, ist leicht einzusehen. Der Vater war mit Ernst
zufrieden, Bernhard gab er den Rath, sich den Liebhabereien
nicht so sehr hinzugeben und seine Beharrlichkeit edleren
Gegenständen zu widmen; dem Jüngsten wurde aber gesagt,
sich künftig nach einer kleinen Ermüdung nicht gleich vom
Schlafe beherrschen zu lassen.
Diese Erzählung zeigt uns drei Knaben zu gleicher Zeit
an einem Orte, von denen der eine fast keine, der andere
wenige, der dritte viele Vorstellungen in sich aufnahm.
Karl lag zwar mit verschlossenen Augen da, war also nicht
im Stande zu sehen; allein die anderen Sinne, Gehör, Geruch
und Gefühl, standen den .Eindrücken offen, und dennoch nahm
er keinen der vielen Laute, keinen Duft und Lufthauch wahr.
Wie ging das zu? Während des Schlafes weiss man nicht,
dass man sich auf der Welt befindet, oder man hat kein Be-
wusstsein. In einem solchen Zustande ist die Seele unvermö-
gend die Sinneswerkzeuge zu gebrauchen. Fängt der Schlaf
an weniger fest zu werden, so kehrt das Bewusstsein allmälig
zurück, und sogleich beginnt auch die Thätigkeit der Seele.
Vor dem Eintritte der Besinnung bildet sie Vorstellungen,
selbst ohne Hilfe der Sinne, indem sie die gehabten wieder-
holt. Solche Vorstellungen, wie sie Karl kurz vor dem Erwa-
chen hatte, heissen Träume. An Träume können wir uns