1869 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert, Bender, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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62. Der Bergbau.
Damit Gold und Silber, Eisen, Salz und Steinkohlen ans Tages-
licht gebracht werden, verrichtet unablässig der Bergmann sein müh-
seliges Geschäft. Es sind die Bergleute in Deutschland meistens eben
nicht sehr wohlhabend, aber redlich und arbeitsam, still und ernst bei
der Arbeit, heiter und musiklustig in den Ruhestunden. Besondere
Sitten und Trachten, besondere Ausdrücke für ihr Thun und Treiben
unterscheiden die Bergleute vom Landbauer, Seefahrer, Stadt- und
Waldbewohner.
Mit seinem Gezähe, d. h. Werkzeug, meistens aus der Keilhaue,
dem Schlägel und Eisen bestehend, und mit dem Grubenlichte versehen,
zieht der Bergmann aus, und arbeitet entweder senkrecht in den Boden
die tiefen Gruben, die man Schächte nennt, oder er führt Gänge oder
Stollen in wagerechter Richtung, und indem er beide Bauarten ver-
bindet und so das Gestein durchbricht, verfolgt er nach allen Richtungen
die Mineral- und Erzgänge, welche sich durch das taube Gestein
dahinziehen. Über sich hat er das Hangende, unter sich das Liegende
der Gesteinmassen.
Der Bergmann fährt zu Berg, wenn er in den Schacht an
steilen Leitern hinabklettert oder an einem Seile hinuntergelassen wird;
er fährt zu Tage, wenn er den umgekehrten Weg macht. Die
Bergwerke sind oft von erstaunlicher Ausdehnung; denn es giebt
Schächte, die an 3000 Fuß tief sind und sich 1300 bis 1600 Fuß
unter die Meeresoberfläche erstrecken. Roch bedeutender ist die Länge
der Stollen: der Georgsstollen auf dem Harze ist drei Stunden lang,
der Christophsstollen im Salzburgischen 10,500 Fuß lang.. Die
Stollen sind meistens so hoch, daß in denselben ein Mann gehen
kann, oft jedoch auch recht niedrig und nur in gebückter oder kriechender
Stellung zugänglich.
In seinem Beruf hat der Bergmann nächst dem Seefahrer neben
vielen Beschwerden wohl die meisten Gefahren zu bestehen. Es giebt
Bergwerke, wo von 10,000 Arbeitern im Durchschnitt jährlich sieben
durch Unglücksfälle das Leben einbüßen, und gegen 200 mehr oder
weniger am Körper beschädigt werden. In andern sollen sogar von
250 Arbeitern jährlich 12 bis 16 umkommen. Bald ist es das Wasser,
welches von der Seite oder aus der Tiefe andringt; bald sind es
die Schwaden oder schlagenden Wetter, die sich entzünden, heftige
Erschütterungen hervorbringen und die Bergleute todten, oder es sind
erstickende Gase (Luftarten), die Plötzlich aus geöffneten Spalten
hervordringen und die Arbeiter ersticken.
Dieses Alles hat dann, namentlich in frühern Zeiten, bei den
Bergleuten eine reiche Quelle zu Aberglauben, zu vielerlei Sage
und Dichtung gegeben. Da erzählen sie denn von manchen neidischen
Berggeistern, Zwergen und Kobolden, die in den Berghöhlen
das Erz und die Schätze bewachen, dieselben den Menschen mißgönnen,